Der französische Präsident Emmanuel Macron hat für Montag zu einem Ukraine-Sondergipfel geladen, um ein Zeichen gegen die „Ukrainemüdigkeit“ zu setzen. Karl Nehammer folgt dem Ruf aus Paris und wird am Treffen teilnehmen. Doch bereits im Vorfeld rückt die Rolle Österreichs im Konflikt in den Fokus - inklusive deftiger Kritik am Bundeskanzler.
„Zweck des Gipfeltreffens ist eine Standortbestimmung und eine strategische Diskussion zur weiteren Vorgangsweise in Bezug auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine“, hieß es aus dem Bundeskanzleramt.
Neben den anderen EU-Staaten seien auch die USA, Kanada, Norwegen und Großbritannien geladen. Nehammer werde nach Paris reisen, um dort die österreichische Position einzubringen und damit auch den Blickwinkel eines neutralen Staates „mit starker Stimme vertreten“.
Kritik an Österreich und Nehammer
Die Rolle Österreichs wird international immer wieder heftig kritisiert. Vor allem die Gas-Zahlungen in Milliardenhöhe an das russische Regime werden als „Blutgeld“ gebrandmarkt. Der Ukraine-Experte und Journalist Paul Ronzheimer, der für seine scharfe Rhetorik bekannt ist, arbeitet sich an Nehammer entsprechend ab.
Niemand in Europa hätte vergessen, „mit was für einem peinlichen Moskau-Trip zu Putin sich Österreichs Kanzler vor zwei Jahren in Szene setzen wollte“. Nehammer hätte für „Russen-Propaganda“ auf Kosten der Ukraine hergehalten. „Niemand braucht von ihm irgendwelche Ratschläge“, teilte Ronzheimer als Reaktion auf Nehammers Ankündigung mit.
Österreich dürfte aufgrund seiner engen Handelsbeziehungen zu Russland beim Sondergipfel ein spezieller Fokus zuteilwerden. Die Ukraine stört sich vor allem am Russland-Geschäft der Raiffeisen Bank International (RBI), das in EU-Kreisen hinter vorgehaltener Hand als „Putins Geldautomat“ bezeichnet wird. Die RBI hat ihr Geschäft in Russland zwar inzwischen zurückgefahren, erwirtschaftet aber nach wie vor einen großen Teil des Konzerngewinns in dem Land.
NEOS fordern Gasausstieg
Hierzulande kritisieren vor allem die NEOS die Energieabhängigkeit von Russland. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger hat am Sonntag abermals auf die Verabschiedung einer neuen Sicherheitsstrategie und den Ausstieg aus russischem Gas gedrängt.
Österreicher zahlen vergleichsweise viel pro Kilowattstunde:
Bei Letzterem müsse die Regierung endlich die Gaslieferverträge zwischen der OMV und der russischen Gazprom „auf den Tisch legen“, verlangte Meinl-Reisinger in der ORF-„Pressestunde“. Zudem brauche es ein Gesetz, dass die Grundlage für den Ausstieg aus den Verträgen schafft.
„In Österreich zahlen die Menschen für das Gas viermal so viel wie in anderen Ländern“, argumentierte die NEOS-Chefin, die eine „Verpflichtung der Regierung“ sieht, „hier Klarheit zu schaffen, was im Vertrag drinnen steht“. Recherchen der „Krone“ zeigen ebenfalls, dass der heimische Endverbraucher aktuell draufzahlt.
Dass die OMV die Verträge nicht kündigt, sei „nachvollziehbar“, dass es aber die Regierung nicht mache, hingegen nicht. Risiko für die Endkunden bei einem Ausstieg sieht Meinl-Reisinger nicht.
Meinl-Reisinger will über Neutralität diskutieren
„Offen und ehrlich“ will Meinl-Reisinger auch über die Neutralität diskutieren. Diese habe sich durch den Beitritt zur EU bereits verändert. „Wir sind zum Beistand verpflichtet.“ Es brauche eine ordentliche Sicherheitsstrategie, die im Parlament verhandelt wird - auch mit der FPÖ. Geht es nach den NEOS, sollten auch Bürger an dem Prozess beteiligt werden, etwa in einem Bürgerrat. „Es ist nur ehrlich zu sagen, dass wir eine Debatte darüber führen müssen, was wir darunter verstehen.“
SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll kritisierte am Sonntag in einer Aussendung ebenfalls die unzureichenden Maßnahmen der Regierung zur Verringerung der Abhängigkeit von russischem Gas und forderte entschiedene Schritte. „Es ist inakzeptabel, dass Ministerin Gewessler erst jetzt, nach zwei Jahren des Ukraine-Konflikts, Maßnahmen ergreift.“
Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) räumte in der ZiB2 am Sonntagabend ein, dass sie die Verträge der OMV mit Gazprom selber noch nicht gesehen habe. Auch sie müsse sich an die Gesetze halten, die OMV sei eine Aktiengesellschaft, so Gewessler. Klar sei aber, dass man raus aus den Verträgen wolle, und dabei seien alle gefordert, die OMV, die ÖBAG und das Finanzministerium.
Österreich als „nützlicher Idiot“?
Im vergangenen Jahr bezeichnete das Wirtschaftsmagazin „Economist“ Österreich aufgrund seiner engen Russland-Verbindungen als einen der wichtigsten Handlanger Wladimir Putins. Die Republik wurde auf einer Liste „nützlicher Idioten“ auf Platz zwei geführt.
Feststeht, dass andere EU-Staaten mittlerweile unabhängig von Russlands Gas sind. Österreich bezieht zwei Jahre nach Kriegsbeginn noch immer hauptsächlich Gas von Putin. Im Dezember - für 2024 liegen noch keine Daten vor - stammten 98 Prozent der Gesamtimporte aus russischer Quelle.
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