Am Montag ist der dreitägige Prozess gegen jene Mutter, die ihren Buben im Waldviertel in eine Hundebox gesperrt und gepeinigt hatte, gestartet. Selbst die Staatsanwältin kämpfte im LG Krems mit den Tränen. „I wollt nur, dass er ma folgt“, versucht die 33-jährige Mutter die Folterung ihres damals zwölfjährigen Sohnes zu erklären. Ihr droht nun lebenslange Haft.
Der Andrang vor dem Schwurgerichtssaal in Krems (NÖ) ist Montagmorgen groß: Eineinhalb Jahre nach Bekanntwerden der Gräueltaten einer Waldviertlerin an ihrem eigenen Kind, musste sich nun die 33-jährige Mutter wegen versuchten Mordes sowie Quälens und Vernachlässigens vor Gericht verantworten.
Neben der Frau sitzt auch ihre einst beste Freundin vor den Geschworenen. Sie soll die Anweisungen für die Schreckenstaten gegeben haben.
Gespenstische Stille im Gerichtssaal
Als sich gegen 9 Uhr die Tür öffnet und die beiden Frauen den Verhandlungssaal betreten, herrscht gespenstische Stille. „Die Horror-Mutter und ihre sadistische Freundin“, hört man Stimmen flüstern. Auf den ersten Blick sehen die angeklagten Frauen unscheinbar aus. Doch der Schein trügt gewaltig. Die Frau, die ihrem Sohn Gerhard (Name geändert) 2010 das Leben geschenkt hat, hätte es ihm 2022 beinahe wieder genommen. Aus Überforderung und als Erziehungsmaßnahme, wie die 33-Jährige sagt.
Bub verlor zwanzig Kilo in wenigen Monaten
Aus Sicht der Anklage aufgrund von Sadismus und Hörigkeit. Laut Staatsanwältin quälte die Horror-Mutter den Buben unter Anleitung - und offenbar auch im Auftrag - ihrer einst „innigen Freundin“. Buchstäblich in letzter Sekunde konnte Gerhard gerettet werden.
Unfassbare Qualen
Über Monate hinweg musste der Zwölfjährige unfassbare Qualen erdulden. Abgemagert auf 40 Kilogramm (bei einer Körpergröße von 165 Zentimetern), mit einer Körpertemperatur von 26,5 Grad, massiven Durchblutungsstörungen, offenen und eitrigen Wunden an Armen und Beinen sowie bereits in einem komatösen Zustand wurde er am 20. November 2022 ins Krankenhaus eingeliefert. Erst da kam nach und nach das gesamte Ausmaß der Qualen ans Licht.
Wäre der Bub nicht in letzter Minute ins Spital eingeliefert worden, wäre er gestorben. Die Mutter hat einfach zugeschaut.
Staatsanwältin am Landesgericht Krems
Beide Frauen haben genau gewusst, was sie getan haben. Die Frage nach dem Warum gilt es zu klären.
Opfervertreter Timo Ruisinger
Statt einer Horror-Mutter saß ein armes ,Hascherl‘ vor mir, sie war einfach manipulierbar bis zur Hörigkeit.
Astrid Wagner, Verteidigerin der Mutter
Sie hat Fehler gemacht, aber sie ist deshalb keine sadistische Person. Die Mutter war überfordert.
Sascha Flatz, Verteidiger Zweitangeklagte
Ich wollte nur, dass mein Sohn mir folgt und das macht, was ich ihm sage.
Mutter des gequälten Buben
Das Ausmaß, das das angenommen hat, war mir nicht bewusst. Ich hab mich da voll mitreinziehen lassen von der Mutter.
Zweitangeklagte im Prozess
Der Bub war gezeichnet von den Qualen. Und ich bin sicher, dass er nach wie vor gezeichnet ist.
Die Staatsanwältin ist erschüttert
Ihre Worte heute vor Gericht können nicht schlimmer sein als das, was Sie Ihrem Sohn bereits angetan haben.
Vorsitzende Richterin im LG Krems
„Tod war beschlossene Sache“
„Der Tod war für ihn beschlossene Sache“, hält die Staatsanwältin in ihrem Eröffnungsplädoyer fest und berichtet von einem „unfassbaren Martyrium“. Die Angeklagte spricht leise und mit Waldviertler Dialekt: „I wollt, dass er ma folgt. Es wor imma schwierig zwischen dem Gerhard und mir. I hob glaubt er hasst mi. Sein Verhalten war ned normal. Er war von klein auf in Therapie.“
Still, mit verheulten Gesichtern sitzen beide auf der Anklagebank - und schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Auf Fragen über das Warum antwortet sie meist: „Weil sie des so zu mir gsogt hat ...“. Mit sie ist die Zweitangeklagte gemeint.
Gekannt haben sich die Frauen schon länger, zu Coronazeiten wohnten sie vorübergehend zusammen. Die 40-Jährige, selbst Mutter von vier Kindern, soll mithilfe eines Lügenkonstruktes die 33-Jährige hörig - und gefügig für ihre sadistischen Neigungen - gemacht haben.
Nachdem der Zwölfjährige im Sommer 2022 mehrfach ins Bett genässt hatte, wurde er zur Strafe in ein Hundebett verbannt. „I hob docht er mocht des absichtlich“, so seine Mutter. Die ihn weckte, indem sie kaltes Wasser auf ihn schüttete. „Wohin?“, fragt Frau Rat. Antwort: „Auf den Kopf.“ Dazu kam permanenter Essensentzug.
Polizei brachte Bub zurück zu seiner Peinigerin
Aus Verzweiflung über die Schläge und die Bestrafungen türmte der 12-Jährige über den Balkon. Ausgerechnet die Polizei brachte das Kind zurück zu seiner Peinigerin. Auch das Jugendamt, das im Herbst 2022 zweimal in die Wohnung kam, schritt nicht ein. Damit Gerhard nicht nochmals davonläuft, begann die Frau, das Kind in die Hundebox zu sperren. Über Stunden eingepfercht, gefesselt und geknebelt, mit kaltem Wasser übergossen musste Gerhard bei offenem Fenster darin ausharren. Immer und immer wieder.
Urteil fällt am Donnerstag
„Ja, geschrien hat er schon“, sagt die 33-Jährige, die Bilder und Videos von der Folter ihres Kindes anfertigte. Diese schickte sie der Zweitangeklagten. Als die erschütternden Aufnahmen im Saal gezeigt werden, fließen bei vielen Anwesenden Tränen. Auch Geschworene greifen sich zu den Augen. Am Donnerstag werden sie über die Strafen beraten.
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