Horror-Prozess in NÖ

Bub in Hundebox: Sozialarbeiterin als Retterin

Gericht
27.02.2024 12:26

Tag zwei im Horror-Prozess gegen eine 33-jährige Niederösterreicherin und ihre einst beste Freundin im Landesgericht Krems. Die Mutter soll ihren zwölfjährigen Sohn von Sommer bis November 2022 schwerst gequält haben - unter Anleitung der Zweitangeklagten. Zum Auftakt am Dienstag spricht jener Gutachter, der Gerhard (Name geändert) auf der Intensivstation untersucht hat - nachdem die Klinik Donaustadt Anzeige erstattet hatte. Auch eine Sozialarbeiterin kam zu Wort. 

„Ein paar Stunden später wäre er mit größter Wahrscheinlichkeit tot gewesen“, sagt der medizinische Gutachter. Der frühere Kinderarzt wurde am 23. November 2022 in die Klinik Donaustadt gerufen. Ein paar Stunden zuvor war Gerhard in lebensbedrohlichem Zustand eingeliefert worden. Der Bub lag im Koma und kam auf die Intensivstation.

„Er war massiv abgemagert, tief bewusstlos und musste künstlich beatmet werden. Die Hände und Füße waren bläulich verfärbt“, berichtet er. Das Kind war schwerst unterkühlt, auf der vierstufigen Skala war laut Gutachter Stufe drei erreicht. Beim Anwärmen „konnte er nur durch massive herzstützende Medikamente am Leben erhalten werden“.

Bub hatte monatelang starke Schmerzen
Heute sei der Bub laut Gutachter „körperlich im Moment gesund“. Er hat sein Ursprungsgewicht wieder erreicht - 29 Kilogramm mehr als am Tag der Spitalseinlieferung. Die seelischen Wunden bleiben, Gerhard wird engmaschig kinderpsychiatrisch betreut. Eine Gutachterin erwähnte am Montag bereits, dass sie beim nun 13-Jährigen die „Wahrscheinlichkeit stark erhöht“ sehe, „dass er zukünftig in seiner Persönlichkeit verformt bleiben wird“. Vorliegend sei eine posttraumatische Belastungsstörung.

Die angeklagten Frauen im LG Krems. (Bild: zVg, Krone KREATIV)
Die angeklagten Frauen im LG Krems.

Als der Gutachter über die starken Schmerzen, die das junge Opfer täglich erleiden musste, spricht, verlassen erste Zuhörer den Saal. So unerträglich sind die Schilderungen.

Sozialarbeiterin als Lebensretterin
Wie es dazu kam, dass Gerhard in letzter Sekunde gerettet werden konnte, berichtet die erste Zeugin im Prozess - eine Sozialarbeiterin. Sie betreute die Erstangeklagte im Rahmen einer Elternberatung vor 2019. Im September 2022 meldete sich die Frau erneut bei der Zeugin: „Sie hatte Fragen zu einem möglichen Schulwechsel von Gerhard. Es war ein wirres Telefonat.“

Noch komischer sei der Anruf der Zweitangeklagten am darauffolgenden Tag gewesen. Die ihr bis dahin unbekannte Frau erzählte ihr, dass der Sohn der Erstangeklagten in einem „bedenklichen Zustand“ sei. Die beiden Frauen verabredeten sich daraufhin und fuhren zu der Wohnung.

(Bild: zVg, Krone KREATIV)

Mutter „emotionslos“, Zweitangeklagte „unheimlich“

Die Situation vor Ort sei „einfach nur surreal und skurril“ gewesen, gab die Zeugin zu Protokoll: „Ich bin sehr erschrocken.“ Das Kind sei im Zimmer neben der Matratze am Boden gelegen und war nicht mehr ansprechbar. Es sei nach Aussagen der Zeugin definitiv klar gewesen, dass der Bub Hilfe braucht. Dennoch: „Die Mutter stand wie eine Unbeteiligte da und zeigte keine Gefühlsregung.“ - „Na gut, dann fahre ich halt morgen mit ihm ins Spital“, soll die Peinigerin gesagt haben. „Besser, du rufst jetzt die Rettung“, sei als Tipp von der Zweitangeklagten gekommen. Was die Mutter dann auch tat.

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Wenn ich aus einer Person überhaupt nicht schlau werde, dann ist das die Zweitangeklagte. Sie war mir unheimlich.

Sozialarbeiterin

„Sie hat mechanisch zum Handy gegriffen und komplett emotionslos die Daten durchgegeben. Wie wenn man eine Pizza bestellt“, erinnert sich die Sozialarbeiterin. „Der Bub verdankt Ihnen sein Leben“, sagt Frau Rat zu der Zeugin, die noch folgendes aussagte: „Wenn ich aus einer Person überhaupt nicht schlau werde, dann ist das die Zweitangeklagte. Sie war mir unheimlich. Auch, weil sie ihre Stimmlage immer so seltsam veränderte.“ Mit dem Buben habe die Frau in völlig unangebrachter Babysprache gesprochen. Seiner Mutter habe sie hingegen klare Aufträge gegeben. 

Einschätzung des Jugendamts wirft Fragen auf
Fragen wirft indes die Zeugenbefragung einer Mitarbeiterin der Kinder- und Jugendhilfe auf. Nach einer Gefährdungsmeldung durch eine Lehrerin am 25. Oktober (insgesamt fünfmal rief sie in dem Amt an), kam es erst am 28. Oktober 2022 zu einer Nachschau. Obwohl der Bub verbundene Arme hatte und nur einsilbig antwortete, gab es kein Vier-Augen-Gespräch mit dem Kind.

Vielmehr seien die Sozialarbeiter von einer psychischen Beeinträchtigung des Buben ausgegangen. Es sei nicht sonderlich kalt in der Wohnung gewesen. Den Mantel zog die Sozialarbeiterin während des 40-minutigen Besuchs aber nicht aus. Die Mutter habe angegeben, dass Gerhard bei ihr im Bett schlafe. Ein Kinderzimmer hätte es nicht gegeben, in der Wohnung habe Uringeruch geherrscht. Die dünne Statur des Kindes sei „nicht besorgniserregend gewesen“. Im Kühlschrank wurde nicht Nachschau gehalten. Auch bei einem weiten Hausbesuch am 18. November sah der Sozialarbeiter "keine Gefahr im Verzug". Weil ein Zuhörer wiederholt die Verhandlung stört, die Zeugen laut anschreit, wird er von Frau Rat des Hauses verwiesen. 

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Sie hat mechanisch zum Handy gegriffen und komplett emotionslos die Daten durchgegeben. Wie wenn man eine Pizza bestellt

Sozialarbeiterin

Rätsel über das Motiv
Die beiden angeklagten Frauen folgen den Ausführungen in starrer Haltung. Beide haben die Beine übereinander geschlagen und halten die Hände gefaltet. Über das Motiv der Mutter und ihrer „Einflüsterin“ herrscht Ratlosigkeit. Es entsteht aber der Eindruck, dass Gerhards Mutter die Zweitangeklagte zutiefst geliebt hat. Sie tat quasi alles, was diese ihr auftrug - habe ihr auch das Geld aus dem verkauften Reihenhaus überlassen.

Die Hundebox, in der der Bub oft stundenlang kauern musste, im Gerichtssaal in Krems (NÖ) (Bild: zVg)
Die Hundebox, in der der Bub oft stundenlang kauern musste, im Gerichtssaal in Krems (NÖ)

Vierfach-Mutter will Angst vor der Erstangeklagten gehabt haben
Die Zweitangeklagte, selbst vierfache Mutter, stellt dies im Prozess anders dar. Sie habe selbst Angst davor gehabt, dass die Erstangeklagte ihr oder ihrer Familie etwas antun würde. Zum Prozess hat die 40-Jährige sogar eine Seelsorgerin mitgebracht, die in Reihe eins gleich neben einem Justizwachebeamten Platz genommen hat: „Ich stehe ihr bei“, sagt die Seelsorgerin auf Frage der Richterin. Wer ist dem Kind im Sommer und im Herbst 2022 beigestanden? 

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