Uni-Ethiker:

„Tiere können verzweifeln und leiden wie Menschen“

Steiermark
28.02.2024 08:30

Roman Werner ist Tierethiker an der Universität Graz. Wir haben den Wissenschafter nach den Vorkommnissen in einem steirischen Schweinemastbetrieb gefragt, wie viel Tiere empfinden können und was die Haltung von Nutztieren über den Menschen aussagt. 

Herr Werner, wenn Sie von schlechten Bedingungen für die Tiere in Schweinebetrieben hören, sind Sie selbst als Experte dann auch schockiert?

Ja, aber leider nicht mehr überrascht. Zum einen ist Haltung mit den absoluten Mindeststandards (oder darunter) logische Konsequenz daraus, dass die Schweineindustrie finanziell komplett an die Wand gefahren ist. Die Kunden wollen immer weniger für Fleisch zahlen, die Wirtschaft redet sich darauf aus und schaut, dass es billig bleibt. Die Verantwortung wird also gegenseitig abgeschoben. Und damit passiert Tierhaltung immer öfter hinter verschlossenen Türen, im Geheimen, damit keiner sieht, was da die Realität ist.

Aufdecker sind damit zum Feindbild geworden?

Ja, sie werden immer wieder bedroht, sehen sich mit Klagen konfrontiert. Investigativer Journalismus wird sogar von der Politik blockiert. Auch das ist ein Bild unserer Gesellschaft. 

Roman Werner, Tierethiker an der Grazer Uni (Bild: Johannes Holzmann)
Roman Werner, Tierethiker an der Grazer Uni

Fehlt Haltern von Schweinen, wo Missstände auftreten, jegliche Empathie?

Die meisten würden sogar behaupten und davon fest überzeugt sein, dass es ihren Tieren gut geht! Wir teilen Tiere in Kategorien ein, Wild-, Haus-, Nutztiere. Letztere sind für viele nur für den Menschen da, sie werden als Ware gesehen, die nur einen Wert hat, solange sie profitabel ist.

Aber man muss doch sehen, dass hier Wunden sind, Schweine durchdrehen müssen vor lauter Langeweile, das ein absolut erbärmliches Dahinvegetieren ist?

Teilweise sicher. Aber man hat da einen anderen moralischen Kompass. Gerade Schweine haben einen ausgeprägten Nesttrieb, würden ihren Schlafplatz abseits vom Kotplatz einrichten, sind sehr sozial. Man gibt ihnen zwar zu fressen, nimmt ihnen ansonsten mit härtester Konsequenz die kleinsten Bedürfnisse. Man kann sagen: Sie werden am Leben erhalten - bis sie direkt in den Schlachthof kommen, wo sie für unseren Genuss sterben müssen.

Von so einer Haltung ist die Realität mit Vollspaltenböden und ohne Stroh sehr weit entfernt (Bild: Molnar Attila)
Von so einer Haltung ist die Realität mit Vollspaltenböden und ohne Stroh sehr weit entfernt

Was können Schweine empfinden?

Verzweiflung, Angst, Freude, Leid - die gesamte Bandbreite, wie sie auch Menschen empfinden, das wurde in vielen Studien längst belegt. Dennoch werden sie vielfach so ausgebeutet und vegetieren dahin.

Jetzt muss man als Konsument schon sehr die Augen verschließen, um gewisse Realitäten aus der Massentierhaltung nicht zu erkennen. Warum hält das viele aber nicht vom Fleischgenuss ab?

Das nennt sich kognitive Dissonanz: Man weiß zwar etwas, findet aber dennoch Gründe, um keine Konsequenzen aus diesem Wissen zu ziehen. Ganz im Gegenteil. Nach dem Motto: Dahinter steckt zwar schlimmste Kinderarbeit in Bangladesch, aber das T-Shirt ist halt so schön, ich kaufe es trotzdem! Oder: Ich weiß, dem Tier ist es schlecht gegangen, aber das Fleisch schmeckt halt so gut, ich ess es trotzdem. Vielleicht gibt es irgendwann ein Umdenken und die Leute sind dann mehr bereit, Konsequenzen zu ziehen.

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