„Krone“-Kino-Kritik

„The Zone of Interest“: Oscar-nominiertes NS-Drama

Unterhaltung
29.02.2024 20:00

Inspiriert von Martin Amis gleichnamigem Buch entführt uns Regisseur Jonathan Glazer mit „The Zone of Interest“ in eine erschütternde Welt. Der Film wirft einen einzigartigen Blick auf die Schrecken des Holocausts, nämlich durch die Perspektive von Rudolf (Christian Friedel) und Hedwig Höß (Sandra Hüller). Lesen Sie hier unsere Kino-Kritik zu diesem Oscar-nominierten NS-Drama ...

Vogelgezwitscher, üppig blühende Blumenrabatten, ein Kinderplanschbecken. Und eine schmucke Villa mit Personal. Familienvater Rudolf (Christian Friedel) hat es morgens nicht weit zur Arbeit. Es sind nur wenige Schritte. Gattin Hedwig (Sandra Hüller, zuletzt in „Anatomie eines Falls“ zu sehen) ist mit einer Kinderschar beschäftigt, die in diesem Idyll aufwächst. Bleibt nur das „unerfreuliche“ Geschehen in der unmittelbaren Nachbarschaft - gleich hinter der hohen Mauer.

Das sperrt man eben aus, negiert es einfach. Doch die Rauchsäulen auf der anderen Seite sind in diesen 1940er-Jahren nicht Zeichen einer um sich greifenden Industrialisierung, es sind vielmehr die Schlote der Krematorien des KZ Auschwitz-Birkenau - und Vater Rudolf, mit Nachnamen Höß, ist Kommandant einer Massenvernichtungsmaschinerie, deren reales Grauen das spießbürgerliche Familienleben nicht weiter tangiert.

„The Zone of Intereset“: Ein klassischer NS-Haushalt in Zeiten des deutschen Faschismus.  (Bild: © 2024 LEONINE)
„The Zone of Intereset“: Ein klassischer NS-Haushalt in Zeiten des deutschen Faschismus. 
Die gepflegte, zweistöckige, mit Stuck verzierte Villa mit blühendem Garten trennte nur eine mit Efeu bewachsene Mauer vom KZ. (Bild: © 2024 LEONINE)
Die gepflegte, zweistöckige, mit Stuck verzierte Villa mit blühendem Garten trennte nur eine mit Efeu bewachsene Mauer vom KZ.
Ab sofort im Kino: „The Zone of Interest“ mit C. Friedel als Rudolf Höß, dem Mann, an dem das Grauen abperlt. (Bild: © 2024 LEONINE)
Ab sofort im Kino: „The Zone of Interest“ mit C. Friedel als Rudolf Höß, dem Mann, an dem das Grauen abperlt.
Hedwig Höß (Sandra Hüller) führt mit ihrer Familie ein äußerst privilegiertes Leben am Rande des Konzentrationslagers. (Bild: © 2024 LEONINE)
Hedwig Höß (Sandra Hüller) führt mit ihrer Familie ein äußerst privilegiertes Leben am Rande des Konzentrationslagers.

Wie uns der britische Regisseur Jonathan Glazer in emotionslos-sterilen Bildern dieses Nebeneinander von Endlösung und Auslöschung des jüdischen Volkes und eines NS-Haushaltes in Zeiten des deutschen Faschismus vor Augen führt, ist gespenstisch. Und nein, wir sehen keine Gräuelbilder, wie wir sie aus „Schindlers Liste“ oder aus entsprechendem Archivmaterial kennen. Denn Glazer, der sich lose an den titelgebenden Roman von Martin Amis orientiert, wählt einen anderen Weg, einen akustischen.

Geräusche aus dem Lager, Schüsse, Schreie, das Quietschen ankommender Züge infiltrieren den Film unablässig, und Mutter Hedwig, die sich salopp gegenüber Freundinnen als „Königin von Auschwitz“ bezeichnet, putzt ihren Rangen die herumfliegende Asche aus den Rotznasen.

Was der Streifen nicht zeigt, setzt aber ein Kopfkino in Gang, gespeist von dem Wissen, dass all dies wirklich geschah. So fußt Glazers cineastisch brillant ausgereizte Verstörung in den Mechanismen des Verdrängens und Negierens, also in einer hier vorgelebten Holocaust-Lüge, deren sich jeder schuldig macht, der die Augen vor dem KZ-Horror verschließt. Man darf auf die Resonanz des fünffach Oscar-nominierten Films bei den diesjährigen Academy-Awards gespannt sein.

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