Das Regie-Duo Veronika Franz und Severin Fiala wurde bei der Berlinale für den Film „Des Teufels Bad“ mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Die düstere Geschichte rund um Frauen, die aus erschütternden Gründen Morde begehen, kommt aus Oberösterreich (Kinostart: 8. März). Der „Krone“ berichten die beiden von der Arbeit an dem Film.
Wie haben Sie auf der Berlinale die Reaktionen von Publikum und Fachpublikum erlebt?
Veronika Franz: Das Screening bei der Berlinale-Premiere war sehr intensiv. Das ist was Besonderes, wenn man plötzlich mit 1700 Menschen den Film sieht. Menschen weinen immer wieder bei dem Film, das war sehr zu spüren. Das war sehr beeindruckend. Und was die Fachpresse betrifft, so waren wir im Taumel des Glücks, weil von der New York Times bis Variety und die ganzen Branchenblätter alle sehr, sehr positiv berichtet haben, um nicht zu sagen enthusiastisch.
Severin Fiala: Wir haben einen Film machen wollen, der nicht eindeutig einem speziellen Genre zuzuordnen ist: Er ist kein Kostümschinken, er ist kein Thriller, er ist kein Horrorfilm. Und das Schöne war, dass das von allen verstanden worden ist. Dass das ein Film ist, der sich mit Frauenschicksalen und auch mit dem Krankheitsbild der Depression auseinandersetzen will und das auf ungewöhnliche Art tut. Und das hat uns gefreut, dass das angekommen ist.
Wie wichtig war für Sie, dass Martin Gschlacht bei dem Projekt die Kamera geführt hat?
Fiala: Für uns ist der Martin seit unserem ersten Spielfilm „Ich seh ich seh“ immer die erste Anlaufstelle. Wir können uns niemand besseren vorstellen.
Franz: Er ist nicht nur ein Kameramann, der drauf schaut, dass das Bild schön oder das Licht toll ist, sondern er ist jemand, der immer auch schaut: Was dient der Geschichte? Welche Bilder braucht sie?
Wie sind Sie auf die Idee zu „Des Teufels Bad“ gekommen? Es ist ja nicht gerade eine alltägliche Geschichte.
Fiala: Wir sind zufällig drüber gestolpert. In einem Podcast hat eine amerikanische Historikerin, die Kathy Stuart heißt, über das Phänomen des mittelbaren Selbstmordes gesprochen, das in ganz Europa weitverbreitet war im 16. bis 18. Jahrhundert. Und von dem wir noch nie was gehört hatten. Und dann haben wir sie kontaktiert, und sie hat uns ihre ganze Recherche zur Verfügung gestellt, weil sie begeistert davon war, dass vielleicht auch ein Film zu dem Thema rauskommt. Dieses Phänomen ist damals meist unter einfachen Leuten passiert und hat zu zwei Dritteln Frauen betroffen.
Es geht darum, dass man quasi über einen Umweg Selbstmord begeht, indem man jemand anderen umbringt. Denn das konnte man vor der eigenen Hinrichtung noch beichten und bereuen und in den Himmel kommen, im Gegensatz zum Selbstmord, wo man gleich verdammt war. Es war für uns faszinierend, diese Gerichtsprotokolle und Verhörprotokolle zu lesen, wo diese einfachen Frauen und Bäuerinnen eine Stimme bekommen, weil es eben nichts ist, was man aus der Geschichtsschreibung kennt. Und später ist das dann unter den Teppich gekehrt worden. Weil die Frauen im Gegensatz zb. Zur Hexenverfolgung, wo sie eindeutiger die Opfer waren, hier gleichzeitig Opfer und Täterinnen sind. Das Phänomen kann uns aber viel über Menschen und ihre Psyche sagen.
Wie herausfordernd war es aus historischen Aufzeichnungen eine emotionale, persönliche Geschichte zu machen?
Franz: Die historischen Aufzeichnungen waren schon sehr emotional und persönlich, in dem Fall, auf dem unser Film hauptsächlich basiert und der eben ein oberösterreichischer ist, wurde diese Frau dreimal interviewt von dem Inquisitor und da gibt sie sehr genau Auskunft über sich, über ihr Leben, über ihre Ängste, ihre Unsicherheiten und ihre Qual. Und das hat uns sehr, sehr berührt und ist auch sehr ungewöhnlich, denn aus dieser Zeit gibt es einfach kaum Quellen über das Leben von Menschen wie Du und ich. Als wir das das erste Mal gelesen haben, hatten wir richtig Tränen in den Augen. Zuerst wollten wir den Film über die Gerichtsverhandlung machen, aber dann wollten wir, dass die Zuschauer es aus der Perspektive der Frau erleben können, quasi in ihren Schuhen steckt.
Wie und wo haben Sie dann die passenden Drehorte gefunden?
Franz: Wir haben in Oberösterreich angefangen, also an den Orten, wo es wirklich stattgefunden hat. Aber das konnten wir nicht verwenden, denn wir mussten Orte finden ohne betonierte Wege, Stromleitungen usw. Und im Mühlviertel gab es zwar sehr schöne Häuser, aber die waren uns zu restauriert. An der tschechischen Grenze im Waldviertel sind wir dann fündig geworden, dort gibt es viele alte verfallene Steinhäuser. Das ist alles gar nicht so einfach und wir hatten auch Glück, dass während Corona sehr wenige Flugzeuge geflogen sind, denn wir konnten auch die Kondensstreifen am Himmel nicht brauchen.
Warum war Anja Plaschg für Sie die perfekte Besetzung für die Hauptrolle?
Fiala: Eigentlich haben wir sie wegen der Musik kontaktiert und haben ihr das Drehbuch geschickt, damit sie weiß, worum es geht. Sie hat uns dann einen wahnsinnig berührenden Brief zurückgeschickt, weil sie mit der Geschichte so viel anfangen konnte. Und alles, was sie über diese Figur gesagt hat, über die Welt, in der sich die bewegt, hat uns gesagt, dass es sich auszahlen könnte, es mit ihr auszuprobieren. Wir haben dann sofort gesehen, dass sie ein wahnsinniges Charisma hat vor der Kamera und haben uns recht schnell entschieden, dass wir das mit ihr probieren wollen.
Wir könnten uns keine bessere Schauspielerin wünschen oder vorstellen.
Was sind Ihre nächsten Projekte?
Franz: Das nächste wird eine Romanverfilmung des Bestsellers „A Head Full of Ghosts“ von Paul Tremblay sein. Da ist auch Robert Downey Jr. als Produzent dabei. Da schreiben wir gerade das Drehbuch.
Was kann uns diese Geschichte aus dem 18. Jahrhundert heute noch über die Situation von Frauen erzählen?
Fiala: In unserer heutigen Leistungsgesellschaft stehen wir alle unter einem irrsinnigen Druck, permanent funktionieren zu müssen, arbeiten zu müssen, perfekt sein zu müssen. Und unsere Figur im Film hat auch immer das Gefühl, sie ist nicht gut genug, und aus dem ist so ein Druck entstanden, dass sie in eine Depression geschlittert ist. Und das betrifft vor allem Frauen, die perfektionistisch veranlagt sind. Wir haben also immer versucht, die Brücke ins Heute zu schlagen, zu den kapitalistischen Strukturen und wie die Menschen daran zerbrechen, die nicht ganz hineinpassen.
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