Der Genfer Salon stand viele Jahre lang nicht nur für die wichtigsten PS-Premieren der Saison, sondern auch für viele neue Nischenmodelle. Während die seriösen Sensationen rar gesät sind, im 100. Jahr der Messe, lassen sich die Tüftler den Spaß nicht verderben.
Ja doch, der Genfer Salon 2024 war ein Trauerspiel und nach der Absage aller, aber wirklich aller herkömmlichen Hersteller außer Renault war er nicht einmal mehr ein Schatten seiner selbst. Und auch die paar versprengten Chinesen und Lucid aus den USA konnten ihn nicht wirklich aufhellen.
Doch was ihm vom elektrischen R5 einmal abgesehen an relevanten Neuheiten für die Serie gefehlt hat, das hat eine Handvoll Nischenhersteller halbwegs wieder wettgemacht. Denn während die Großkonzerne mit Abwesenheit glänzen, halten zumindest sie dem Genfer Salon als Bühne für schräge Studien und phantasievolle Kleinserien die Treue, wie diese fünf Beispiele zeigen.
Lazareth LMV 496: Ganz schön abgehoben
Zwar sind Motorräder im Stau schon jetzt im Vorteil. Doch dem französischen Tüftler und Tuner Ludovic Lazareth war das offenbar nicht genug. Deshalb hat er ein Bike entwickelt, das auch fliegen kann. Dafür lassen sich die vier elektrisch angetrieben Räder des Motorrades binnen 60 Sekunden um 90 Grad zur Seite klappen und werden dann zu Turbinen, die zusammen 1.280 PS leisten und das 140 Kilo schwere und auf dem Boden bis zu 150 km/h schnelle Gefährt samt Fahrer in die Luft tragen. Ob dafür der normale Führerschein reicht? Darüber hat sich Lazareth noch keine Gedanken gemacht. Denn obwohl seit fünf Jahren mehr oder minder fertig und angeblich für rund eine halbe Million im Handel, fehlt dem LMV496 ohnehin eine Straßenzulassung.
Kimera EVO38: Da geht noch was
Als die italienische Retro-Schmiede Kimera vor drei Jahren den Resto-Mod EVO37 präsentiert hat, waren nicht nur Rallye-Fans verzückt. Denn zu den spektakulären Formen im Geist des Lancia 037 aus den 1980ern kamen Fahrleistungen, die auch heute noch für Herzrasen sorgen. Zwar war der Preis von etwa 480.000 Euro netto ein heilsames Gegenmittel, doch haben sich davon viele Fans nicht abschrecken lassen. Und jetzt legen die Italiener noch einmal nach - aus dem EVO37 wird mit ein paar Designretuschen der EVO38 und es gibt vor allem ein technisches Update. Statt Heck- gibt es jetzt Allradantrieb, und der Vierzylinder-Motor legt mit einem neuen Lader um 20 Prozent auf 600 PS zu, die mit kaum mehr als 1.100 Kilo wohl leichtes Spiel haben dürften. Dass damit auch der Preis steigt und wohl deutlich über 500.000 Euro klettert, versteht sich von selbst. Nur schrecken wird das kaum jemanden.
Dacia Sandrider: Dreck lass nach
Während der Lancia 37 als Vorbild für den EVO38 seine Rallye-Karriere seit bald einem halben Jahrhundert hinter sich hat, hat sie der Dacia Sandrider erst noch vor sich. Denn mit diesem Wüstenfloh will die rumänische Renault-Tochter im nächsten Jahr nach Dakar stürmen. Und auch wenn sich Dacia anders als etwa Audi bei seinem Engagement irgendwelche elektrischen Extravaganzen verkneift, hängen die Rumänen dem kaum mehr als vier Meter langen Zweisitzer ein grünes Mäntelchen um: Der 360 PS starke V6-Twin-Turbo füllt seine drei Liter Hubraum zumindest im offiziellen Training und im Rennen ausschließlich mit E-Fuel.
Yangwang U8: Jetzt geht’s rund
Er dreht wie ein Kreisel auf der Stelle, kann das Heck seitlich in eine Enge Parklücke ziehen und zur Not sogar eine halbe Stunde im offenen Wasser schwimmen - mit solchen Gimmicks hat es der Yangwang U8 in China bereits zum Star in den sozialen Netzwerken gebracht. Und wer eher in klassischen Kategorien denkt, der bekommt bei dem Koloss mit dem Look des Land Rover Defender und einer Technik wie beim kommenden Mercedes EQG plus Range Extender ebenfalls Schnappatmung: 1.200 PS und 1.300 Nm ermöglichen den Sprint von 0 auf 100 km/h in weniger als vier Sekunden und bei Vollgas immerhin bis zu 200 km/h.
In China ist der U8 für Preise ab umgerechnet 140.000 Euro bereits im Handel und jetzt überlegt Mutterkonzern BYD laut, ob der vornehme Ableger der Marke auch in Europa eine Chance hat. Dabei gibt es für den U8 nur ein Problem. Nein, nicht den Reifenabrieb beim so genannten Tank-Turn. Sondern das Gewicht: Mit gut 3,5 Tonnen ist er für den Pkw-Führerschein zu schwer.
Moonbike: Fröhliche Eiszeit
Als hätte Renault mit dem elektrischen R5 nicht schon genug zu bieten, haben die Franzosen auch noch fünf französische Start-Ups und Designer für coole Mobilitätsprojekte auf die Bühne gebeten - und dabei zum Beispiel das Snowbike ins Rampenlicht gerückt. Hinten mit Kette und vorne mit Ski, pflügt es elektrisch durch den Schnee, erreicht dabei Geschwindigkeiten von bis zu 42 km/h und der Akku hält im besten Fall für drei Stunden oder 50 Kilometer. Dass das Spielzeug für Winterhipster gute 10.000 Euro kostet, stört das Interesse der Lifestyle-Gesellschaft weniger. Schließlich können die bald beim Auto sparen und mit dem R5 einen coolen elektrischen Kleinwagen für gerade mal 25.000 Euro kaufen. (Benjamin Bessinger/SPX)
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