Schiefe Optik

Viele brisante Fragen zu Richter nach Kurz-Prozess

Politik
29.02.2024 06:00

Nach dem Schuldspruch im Prozess rund um Sebastian Kurz steht der Richter in der Kritik, weil er eine Disziplinarstrafe verheimlicht hatte. 

Es ist eine Entwicklung im Prozess rund um Sebastian Kurz, die gleich auf mehreren Ebenen eine schiefe Optik hat. Zur Vorgeschichte: Kurz-Richter Michael Radasztics wurde im Mai 2023 zu einer Disziplinarstrafe verurteilt. Anlass war ein Geheimnisverrat in der Eurofighter-Causa. Radasztics soll dem Ex-Abgeordneten Peter Pilz am 20. 12. 2018 Informationen aus Ermittlungsakten gesteckt haben. Gleich einen Tag später stellen „Pilz und Freunde“, darunter auch die heutige Justizministerin Alma Zadić, eine parlamentarische Anfrage.

Richter Michael Radasztics führte den Prozess zwar souverän, verschwieg jedoch sein Disziplinarurteil. (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
Richter Michael Radasztics führte den Prozess zwar souverän, verschwieg jedoch sein Disziplinarurteil.

Dann im Sommer 2023 wird Radasztics zum Richter im Kurz-Prozess bestellt. Mittlerweile legte Radasztics Berufung gegen die Disziplinarstrafe ein. Gleich am ersten Prozesstag im Oktober 2023 beantragt Kurz-Verteidiger Otto Dietrich einen Richterwechsel.

Der Grund: Seine Nähe zum Kurz-Kritiker Pilz. Richter entscheiden in Österreich über ihre Befangenheit selbst. Radasztics sah keinen Grund, sich vom Richterstuhl zu verabschieden. Seine Disziplinarstrafe verheimlichte er.

Kaum ist der Schuldspruch gegen Sebastian Kurz gesprochen, tauchen neue Irritationen auf. (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
Kaum ist der Schuldspruch gegen Sebastian Kurz gesprochen, tauchen neue Irritationen auf.

Und nun kommt der Treppenwitz: Zwölf Prozesstage später verurteilt Radasztics den Ex-Kanzler mit der Begründung, wenn man zwar die Wahrheit spricht, aber diese unvollständig ist, tätigt man eine Falschaussage vor dem U-Ausschuss. 

Es existieren aber noch mehr Schieflagen. Die große Frage lautet: Warum brauchte es gut zwei Monate, bis die im Dezember rechtskräftige Entscheidung gegen den Richter am 26. Februar das Licht der Öffentlichkeit erblickte? Das OLG Graz spielt den Ball an den Obersten Gerichtshof (OGH). „Die Anonymisierung hat so lange gedauert. Das Evidenzbüro des OGH führt das für uns durch“, sagt ein OLG-Sprecher.

Überprüfung dauert nur zweieinhalb Tage
Eine Nachfrage beim OGH ergibt Erstaunliches: Denn im Evidenzbüro wird die erfolgte Anonymisierung bloß überprüft. „Das dauert zweieinhalb Tage. Macht eine Sekretärin.“ Dann geht es sofort zurück an das OLG, das für die Veröffentlichung zu sorgen hat.

Im Fall von Radasztics kam das Urteil überhaupt erst am Montag, 19. Februar, zur Überprüfung beim OGH an. Dennoch: Eigentlich hätte die Öffentlichkeit spätestens am Tag des Kurz-Urteils vom Spruch gegen den Kurz-Richter erfahren müssen. Wollte man damit Irritationen vermeiden?

Noch eine Besonderheit fällt auf. Die Entscheidung für die Strafe wurde im Dezember rechtskräftig. Der Grund: Beide Seiten haben die Rechtsmittel zurückgezogen. Das bedarf aber der Genehmigung des Ministeriums – und komme zudem „äußerst selten vor“, so ein Justizinsider. Fragen über Fragen, die man gerne beantwortet haben will.

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