Pulverfass Naher Osten
UNHCR-Experte warnt: „Situation erinnert an 2015“
Das UNHCR warnt eindringlich vor einer neuen Flüchtlingswelle. Die aktuelle Lage im Nahen Osten „erinnert an die Situation im Jahr 2015“, sagt der Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks in Jordanien, Roland Schönbauer. Auch damals sei die internationale Flüchtlingshilfe davor gekürzt worden.
„Man spricht immer vom Schlepperwesen, aber diese Leute haben sich zehn Jahre lang nicht für Schlepper interessiert“, so der Österreicher. Schätzungen zufolge brachen im Vorjahr bereits rund 5000 Flüchtlinge aus Jordanien in andere Länder auf, hauptsächlich nach Europa, aber auch in die Golfstaaten - eine Zunahme um zehn Prozent.
„Wenn man eins und eins zusammenzählt ...“
„Wenn man eins und eins zusammenzählt: Alles andere als eine Zunahme dieser Weiterwanderung wäre unlogisch“, warnt Experte Schönbauer. Dass die Menschen sich „zunehmend auf den Weg machen und woanders ihr Glück suchen“, sei ein Verhalten, das „schmerzt“, so der frühere UNHCR-Vertreter in Österreich. Schließlich würden die Flüchtlinge dabei große Risiken eingehen.
In den sozialen Medien kommentiert Roland Schönbauer regelmäßig die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten.
Brennpunkt Jordanien
Jordanien ist mit rund 720.000 Flüchtlingen (rund 640.000 von ihnen alleine aus Syrien) gemessen an der Einwohnerzahl das größte Aufnahmeland von Flüchtlingen weltweit. Nach der großen Flüchtlingskrise 2015/16 habe das Land eine Betreuung von Flüchtlingen zugesagt, wenn die internationale Gemeinschaft wieder die Kosten dafür übernimmt. Dieser Deal sei aber in den vergangenen eineinhalb Jahren „massiv ins Wanken“ gekommen, seit 2022 gingen die internationalen Zuwendungen an Jordanien „in atemberaubender Geschwindigkeit zurück“.
Umgeben von Krisenherden - nirgendwo sonst auf der Welt gibt es pro Kopf so viele Flüchtlinge wie in Jordanien.
Das verursache massives menschliches Leid. Während immer mehr NGOs ihre Arbeit einstellen müssen, sind die Flüchtlinge mit gestiegenen Kosten wegen der Teuerung konfrontiert. Neun von zehn hätten Schulden, 62 Prozent geben an, mit den UNHCR-Zuwendungen nicht einmal die Hälfte ihres Lebensbedarfs decken zu können.
„Eltern nehmen ihre Kinder aus der Schule und schicken sie betteln“
„Verzweifelte Handlungsweisen nehmen zu. Eltern nehmen ihre Kinder aus der Schule und schicken sie betteln“, berichtet Schönbauer. Sie ernährten sich von übrig gebliebenen, „halb verfaulten“ Nahrungsmitteln vom Markt, die Delogierungen nähmen zu. Das gefährde auch die Integration. In Jordanien lebten immerhin 72 Prozent der Flüchtlinge in Wohnungen. Wenn sie sich diese nicht mehr leisten können, steigt der Druck auf die Lager, wo die Betreuung wesentlich teurer sei, so Schönbauer. „Es ist für die Geberländer günstiger, wenn die Menschen in den Gemeinden integriert leben können.“
Dabei sei Jordanien ein äußerst flüchtlingsfreundliches Land: Nicht weniger als 96 Prozent der Einwohner sagten, sie würden Sympathien für Flüchtlinge empfinden. „Solche Werte würden wir gerne in Europa haben.“
Hilfsgelder für Palästinenser nach Hamas-Massaker zurückgefahren
Ein Grund dafür ist, dass das Land im Zuge der Gründung des Staates Israel auch Hunderttausende palästinensische Flüchtlinge aufgenommen hat. Diese werden jedoch nicht vom UNHCR betreut, sondern vom jüngst wegen Terrorvorwürfen in Verruf geratenen Palästinenserhilfswerk UNRWA. Auch diesem geht das Geld aus, weil große Geberländer - darunter Österreich - wegen der Terrorvorwürfe ihre Zahlungen eingestellt haben. Ein Teufelskreis.
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