„Wir vergessen nicht“

Abschied von Nawalny: Tausende trotzten Putin

Ausland
01.03.2024 15:16

Der russische Kreml-Gegner Alexej Nawalny ist am Freitag in Moskau beigesetzt worden. Tausende Menschen hatten sich trotz Warnungen des Kreml zur Trauerfeier versammelt, um Abschied zu nehmen. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort, auf dem Platz vor der Kirche waren Absperrungen aus Metall aufgebaut. Viele protestierten offen gegen Putin.

Angehörige nahmen am offenen Sarg in der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone „Lindere mein Leid“ im südöstlichen Bezirk Marjino Abschied. Nawalnys Team zeigte in einem Livestream auf Youtube, wie die Leiche von Blumen bedeckt im Sarg liegt, umgeben von zahlreichen Menschen während des Gottesdienstes. Zu sehen war auch Alexej Nawalnys Gesicht. Seine Mutter, die eine Kerze in der Hand hielt, und sein Vater saßen während der Zeremonie am Sarg.

Der Sarg wurde dann zur Beerdigung auf dem Borissow-Friedhof transportiert. Ein Orchester spielte Trauermusik. Gespielt wurde das Lied „My Way“. Die Leiche wurde mit einem Tuch abgedeckt, bevor der Sarg verschlossen und in die Erde gelassen wurde.

Risiko zu groß: Nawalnys Witwe nahm nicht teil
Die Witwe Julia Nawalnaja, die Tochter Darja und der Sohn Sachar nahmen nicht an der Trauerfeier teil, weil sie zu ihrer eigenen Sicherheit im Ausland sind. Nawalnys Frau hatte den russischen Präsidenten Wladimir Putin des Mordes an ihrem Mann bezichtigt. Sie würde damit eine Festnahme in Russland riskieren. Auch Nawalnys Team ist nicht im Land, weil seine Mitarbeiter, die als Extremisten gelten, ebenfalls sofort festgenommen würden. Julia Nawalnaja verabschiedete sich aber mit einer liebevollen Videobotschaft von ihrem Mann. Sie versprach darin, ihr Bestes zu geben, „damit du stolz auf mich bist“ und dankte ihm für „26 Jahre absolutes Glück“.

Tausende nehmen Abschied
Trotz eines Großaufgebots von Polizei und anderen uniformierten Sicherheitskräften, viele von ihnen maskiert, war der Andrang riesig. Vor der Kirche hatte sich eine zwei Kilometer lange Schlange mit Wartenden gebildet, die sich von Nawalny verabschieden wollten. Sie trugen oft Blumen in den Händen und drängten sich an den Metallgittern. Viele lobten den Mut des Politikers in seinem Kampf gegen Machthaber Wladimir Putin. In einem Livestream auf YouTube wurde gezeigt, wie Männer den Sarg aus einem schwarzen Transporter zogen und im Gleichschritt in die Kirche trugen.

„Wir vergessen nicht!“
Einige riefen: „Du hattest keine Angst. Und wir haben keine Angst.“ Viele Menschen klatschten und riefen Nawalnys Namen. Einige riefen auch: „Wir vergessen nicht, wir vergeben nicht!“. Der braune Sarg wurde nach der Trauerfeier wieder aus der Kirche getragen und zur Beerdigung transportiert. Im Vorfeld war es zu Verzögerungen gekommen, da die Leiche für die Angehörigen später als geplant freigegeben wurde.

Die Befürchtung der Behörden, dass Menschen offen gegen Putin protestierten könnten, waren begründet. „Russland ohne Putin!“, „Putin ist ein Mörder!“, „Russland wird frei sein!“, und „Nein zum Krieg!“ skandierten Menschen im Chor, wie Reporter berichteten. Sie sprachen angesichts des Großaufgebots an Uniformierten der Sonderpolizei Omon von einer angespannten Atmosphäre.

Dokumente überprüft
Nawalny versetzte den Machtapparat auch nach seinem Tod in Nervosität: Dutzende Einsatzfahrzeuge und Uniformierte hatten schon Freitagfrüh Stellung bezogen. Dokumente und persönliche Gegenstände von Passantinnen und Passanten wurden überprüft. An der Kirche hing laut Berichten eine Aufforderung, nicht zu filmen oder zu fotografieren. Das mobile Internet soll heruntergeregelt worden sein. Jede Bürgerin und jeder Bürger würde die Verantwortung für eine Teilnahme an nicht erlaubten Aktionen auf der Straße tragen, hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow im Vorfeld erklärt.

Hier sehen Sie ein Video der Schlange vor der Kirche.

Kein Visum für Grün-Politikerin
Österreich wurde beim Begräbnis von Werner Almhofer vertreten, dem Botschafter in Moskau. Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic erhielt kein Visum, sie legte stattdessen vor der russischen Botschaft in Wien einen Kranz nieder. Auch NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper beteiligte sich an der Gedenkveranstaltung. NEOS-Außenpolitiksprecher und EU-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter legte vor dem russischen Generalkonsulat in Salzburg einen Kranz nieder. SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr, außenpolitische Sprecherin der SPÖ, betonte via Aussendung die Verantwortung des Putin-Regimes für den Tod Nawalnys.

Nawalny starb nach Behördenangaben am 16. Februar in dem sibirischen Straflager mit dem inoffiziellen Namen „Polarwolf“. Er wurde 47 Jahre alt. Die genauen Umstände seines Todes sind bisher nicht geklärt. Der Politiker soll geschwächt gewesen sein. Laut offiziellen Angaben brach er bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammen und konnte nicht mehr wiederbelebt werden. Nach Angaben von Nawalnys Team ist im Totenschein von „natürlichen“ Ursachen die Rede.

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