Mehrere Dutzend Menschen sind dem Aufruf des Österreichischen Frauenrings zu einem „Schreitag“ gefolgt - minutenlang machten sie ihrem Unmut lautstark in der Wiener Innenstadt Luft. Der Bundesverband der Gewaltschutzzentren legte indes Reformvorschläge vor: So sollen Gefährder auch mehrmals zu einer Gewaltpräventionsberatung verdonnert werden können.
Bei dem Protest am Minoritenplatz kam es zu Pfeifgeräuschen und Trommellärm sowie gemeinsam skandierten Slogans wie „Stoppt Femizide, man tötet nicht aus Liebe“. Anlass ist die jüngste Serie an Femiziden - am Freitag vergangener Woche wurden innerhalb von 24 Stunden fünf Frauen getötet. Der Bundesverband der Gewaltschutzzentren legte bei einer Pressekonferenz in Wien nun rechtliche Reformvorschläge auf den Tisch, um solche Verbrechen künftig zu verhindern.
Gewaltpräventionsberatung nicht mehrmals auferlegbar
Seit Juli 2022 besteht die Möglichkeit, dass Bezirksgerichte im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen Gefährder auch eine verpflichtende Gewaltpräventionsberatung anordnen können. „Wenn die gefährdende Person aber schon einmal nach einem Betretungs- und Annäherungsverbot diese Beratung konsumiert hat, dann ist es nicht mehr möglich, dass das Gericht diese noch einmal auferlegt“, sagte Karin Gfölly, stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes vor Medienvertretern. „Wir sind aber der Meinung, dass das kein Ausschlussgrund sein soll“, so Gfölly.
Keine Beratung von Stalking-Tätern
Eine Zuweisung zu einer Beratung im Rahmen einer gerichtlichen einstweiligen Verfügung sei zudem nur bei Fällen von häuslicher Gewalt möglich, nicht aber bei Stalking. „Wenn ein Stalking-Opfer aber Anzeige erstattet und damit auch eine persönliche Annäherung verbunden ist, dann hat die Polizei die Möglichkeit, aufgrund dessen ein Betretungsverbot auszusprechen“, so Gfölly. So könne dann auch eine Zuweisung zur Gewaltpräventionsberatung erfolgen, nicht aber im Rahmen einer einstweiligen Verfügung.
Kritik: Frist bei Betretungsverbot oft zu knapp
Gfölly plädierte zudem für eine Neuerung im Sicherheitspolizeigesetz (SPG), die bei Verlängerung eines Betretungs- und Annäherungsverbotes eine Benachrichtigung an den Gefährder durch die Polizei vorsieht. Betretungsverbote gelten grundsätzlich für 14 Tage und können durch Beantragung beim Bezirksgericht verlängert werden. Derzeit erfolgt die Benachrichtigung an den Gefährder per Post durch das Bezirksgericht. „Da kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass die Frist zu knapp ist. Diese 14 Tage sind abgelaufen und die gefährdende Person hat noch nicht erfahren, dass ein Antrag eingebracht wurde“, sagte die Expertin. Zwar gebe es engagierte Richterinnen und Richter sowie Polizistinnen und Polizisten. „Es soll aber nicht vom Engagement einzelner Personen abhängen, ob diese Verständigung rechtzeitig passiert“, so Gfölly.
51 versuchte Tötungen an Frauen und 27 Femizide habe es allein 2023 gegeben, in diesem Jahr sieben Tötungen und neun Mordversuche, erinnerte Frauenring-Vorsitzende Klaudia Frieben. Darüber hinaus appellierte Frieben an die Politik, alle Maßnahmen zu ergreifen, „um Männergewalt an Frauen und Femizide sofort zu stoppen“. Jede Frau könne „Opfer eines Femizids werden, egal wie alt sie ist, woher sie kommt, was sie arbeitet“.
SPÖ unterstütze Protest
Unterstützt wurde der „Schreitag gegen Gewalt“ unter anderem von den Grünen Frauen Wien sowie dem SPÖ-Parlamentsklub. Die Grünen verwiesen am Freitag in einer Aussendung auf Nachholbedarf bei der opferschutzorientierten Täterarbeit. „Eine Koordinationsstelle der Stadt Wien für opferschutzorientierte Täterarbeit könnte systemische Lücken identifizieren und alle Institutionen, die mit Tätern und Betroffenen arbeiten, unterstützen“, sagte Viktoria Spielmann, Frauensprecherin der Grünen Wien. Schließlich seien viele Gefährder mehr als einmal gewalttätig, hieß es. Die Grünen forderten deshalb von der Stadtregierung aus SPÖ und NEOS „verstärkte Anstrengungen“ im Bereich Gewaltschutz. Ebenfalls wurde auf die möglichst rasche Umsetzung der angekündigten Gewaltambulanzen in Wien sowie weitere Anstrengungen im Präventionsbereich gedrängt.
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