Ganz oder gar nicht

BMW S 1000 RR: Lässt keine Ausreden gelten

Motor
16.07.2012 14:43
Mit einer BMW S 1000 RR, noch dazu mit der brandneuen, vogelfrei über den Pannoniaring zu jagen, das ist wie Ostern und Weihnachten auf einmal. Das bayerische Maß der Dinge wurde für die aktuelle Saison kräftig verfeinert. Da wird es für den Fahrer schwer, noch Ausreden zu finden, warum er auf der Strecke nichts weiterbringt.
(Bild: kmm)

In meinem Fall ist die faule Ausrede meine Lederkombi, die inzwischen so eng ist, dass ich mich kaum rühren kann (hat irgendwie auch was mit Weihnachten zu tun). Doch der Schritt ist so eng, dass er als Keuschheitsgürtel taugt. Auf den ersten Runden bin ich schon froh, dass ich mich im Sattel halte, während die Massen im Leder nach Spielraum suchen (dabei unterstützt mich, 1,88 m groß, die Sitzposition; das auf dem Foto bin übrigens nicht ich).

Einem anderen Fahrer gelingt das nicht lange, für ihn ist schon in der ersten Kurve auf einmal Ostern: Er legt sich einfach ins Nest. Auferstehung inklusive. Dafür, dass nagelneue Reifen halt nicht sofort maximalen Grip bieten, kann man die 1000er freilich nicht verantwortlich machen.

… unterstützt jeden Funken Talent, den ein Fahrer hat
Herantasten ist angesagt, und von Runde zu Runde fügt sich alles zu einem Ganzen. Die Rennstrecke ist der ideale Platz für die RR, weil auf der Landstraße, wo ich damals die erste Generation ausprobiert habe, hast du mit ihr immer ein schlechtes Gewissen, weil du sie nicht artgerecht bewegst. Ich hatte immer das Gefühl, sie fordert etwas, was ich ihr weder geben kann noch will. Auch weil du halt schon Vollgas ins Kriminal fährst, wenn du den ersten Gang ausdrehst, aber vor allem ist es ein unterschwelliges Gefühl, das immer mitfährt.

Hier am Ring ist das ganz anders: Die BMW gibt alles, was sie hat, und das ist viel: 193 PS bei 206,5 kg (fast vollgetankt, inklusive Race ABS) und einen glatteren Drehmomentverlauf als bisher (maximal 112 Nm bei 9.750/min.), und freut sich ihres Lebens, weil du es tust. Ich merke gleich, ich muss nichts beweisen. Sie unterstützt jeden Funken Talent, den ein Fahrer hat, und lässt ihn seine Möglichkeiten ausloten. Dabei macht sie keine Fehler und verzeiht den einen oder anderen, denn der Fahrer macht.

Für den gefahrlosen Umgang mit der Brachialgewalt am Hinterrad gibt es eine großartige, nochmals verfeinerte einstellbare Traktionskontrolle. Im Wesentlichen merkst du am Flackern des Lämpchens im Cockpit, dass sie eingreift. So kannst du dich an den Grenzbereich herantasten (aber Vorsicht, wenn du dann wieder auf ein Radl ohne DTC umsteigst). Vier Fahrmodi stehen zur Verfügung, alle während der Fahrt anwählbar. Der Rain-Modus begrenzt die Leistung auf 163 PS, zusätzlich spricht der Motor weicher an Sport; Race und Slick bieten volle Leistung, aber unterscheiden sich aber in den Auslieferungsbedingungen.

Insgesamt gibt es drei unterschiedliche Drehmomentkurven (statt bisher zwei): jeweils eine für den Rain- und den Sport-Modus sowie eine weitere für Race und Slick. In jedem Fall ist der Kurvenverlauf aber jetzt harmonischer. Im Slick-Modus gibt es nun keine permanente Schubabschaltung in der Schubphase mehr. "Stattdessen wird die Verbrennung in der Schubphase so gesteuert, dass aus Bremsmoment und Motorschleppmoment ein optimiertes Verzögerungsmoment am Hinterrad resultiert", sagt BMW. Ich bin allerdings nicht auf Slicks unterwegs.

Feine Unterschiede
Zwischen den Turns lassen sich die offensichtlichen Unterschiede zur Vorgänger-RR erkennen: ein schlankerer Hintern, aufgesetzte Winglets an der Verkleidung für bessere Aerodynamik und anders geformte Kiemen an der rechten Seite. Auch die Fersenbleche wurden geändert. Die wesentlichen Änderungen stecken aber im Detail. Etwa die einen Zahn kürzere Sekundärübersetzung (für besseren Durchzug), die verbesserte Ansaugluftführung, die Geometrie (Steuerkopfwinkel, Offset, Lage des Schwingendrehpunkts, Gabelüberstand, Federbeinlänge), die neue Gabelbrücke. Und der Lenkungsdämpfer ist jetzt zehnstufig einstellbar. Und durch eine Neupositionierung der Katalysatoren blieb ein Hitzeschutzblech über.

Auf der Strecke äußert sich das alles in großartiger Fahrbarkeit und Feedback, mit dem ich etwas anfangen kann. Einen direkten Vergleich neu/alt konnte ich nicht anstellen, das tut dem Spaß an der S 1000 aber keinen Abbruch. Dazu ist eher der Preis geeignet: 18.350 Euro, plus 1.440 für ABS und DTC – macht knapp 20.000. Dann kommt es auf Schaltassistent (426), Diebstahlwarnanlage (245) und Heizgriffe (231) auch nicht mehr an. Heizgriffe? Ja, auch das ist ein Unterschied zur Konkurrenz, der gerne belächelt wird – aber an kalten Tagen auch beneidet.

Jedenfalls ist eine neue Kombi bereits bei Held in Arbeit – und der Brief ans Christkind geschrieben…

Warum?

  • Hammerstück Technik 
  • Man muss kein Profi sein, um mit ihr umgehen zu können (Charakterfestigkeit vorausgesetzt)

Warum nicht?

  • Zu schade, um sie nicht regelmäßig auf einer Rennstrecke auszuführen

Oder vielleicht …

… was ganz anderes? Im Regelfall erfüllt man sich den Wunsch nach einem Ferrari ja auch nicht, sondern ist vernünftig. Okay, der kostet aber auch das Zehnfache…

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(Bild: kmm)



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