Wiener Volksoper

Wie alt darf eine lustige Witwe sein?

Bühne
01.03.2024 17:37

Die Regisseurin Mariame Clément geht bei Franz Lehárs „Lustiger Witwe“ auf liebevoll, nostalgische Distanz. Es ist ihre erste deutsche Operette. Die Premiere in der Volksoper ist am Samstag. Aus dem Theater an der Wien kennt man ihre Inszenierungen von Rameaus „Castor et Pollux“ und Purcells „Fairy Queen“. Im Sommer debütiert sie bei den Salzburger Festspielen mit „Hoffmanns Erzählungen“. Die „Krone“ traf Mariame Clément zum Gespräch.

(Bild: kmm)

Sie ist der Hochkaräter unter den Operetten der „Silbernen Ära“: Franz Lehárs „Die lustige Witwe“. Natürlich geht es dabei um die Liebe, vor allem darum, wer mit wem. Nur zwischen der reichen Witwe Hanna Glawari und dem pontevedrinischen Grafen Danilo flammt die alte Liebe wieder auf. Dazu kommt, dass Danilo seinem Land durch Heirat das Vermögen der Witwe sichern soll. Aber er möchte nicht, dass sie glaubt, er liebe sie nur wegen ihres Geldes. Daher die Frage an Mariame Clément:

An allem ist wieder einmal das Geld schuld?
Mariame Clément: Wenn diese Sache mit dem Geld nicht wäre, gäbe es kein Stück. Denn man denkt am Ende des ersten Aktes: Die beiden haben wieder zueinander gefunden, wo ist das Problem? Warum muss das eigentlich weitergehen? Wenn dieser Konflikt nicht aufgewertet wird, ist die Geschichte schwierig zu erzählen. Die Liebe ist da, aber dann kommen Befindlichkeiten und Eitelkeiten ins Spiel. Es ist jedenfalls eine sehr tiefgreifende Liebesgeschichte.

Ich spüre in dieser Musik eine solche Sehnsucht und Tiefe, das ist nicht nur schöne folkloristische Unterhaltungsmusik. Das geht es um die Gefühle. Auch zwischen dem heiteren, zweiten Liebespaar, zwischen Valencienne und Rosillon ist es nicht nur oberflächliches Kokettieren. Das klingt für mich genauso nach Liebe. Wenn man das nicht ernst nimmt, führt es doch nirgendwo hin. Dann wäre diese unglaublich schöne Musik nur fake, hätte keine Berechtigung.

Wo die Liebe hinfällt: Aaron-Casey Gould (Camille de Rosillon), Hedwig Ritter (Valencienne) (Bild: © Werner Kmetitsch / Volksoper Wien)
Wo die Liebe hinfällt: Aaron-Casey Gould (Camille de Rosillon), Hedwig Ritter (Valencienne)

Ihre erste Wiener Operette …?
Mir wird die Frage ständig gestellt. Aber ich weiß nicht genau, warum ich das so anders betrachten müsste? Operette ist schwer zu singen, es sind vielleicht längere Dialogstellen, aber wenn man die „Zauberflöte“, die „Entführung“ oder „Carmen“ anschaut, ist es ähnlich. Ich nehme die „Lustige Witwe“, ihre Geschichte, die Situation, die Figuren genauso ernst wie andere Stücke, wie etwa „La traviata“.

Aber die Operette scheint doch mitunter in die Jahre gekommen, hat an Schärfe, an Relevanz verloren, ist gerne zum gemütlichen Unterhaltungsvehikel geworden?
Auch eine „Traviata“ war Unterhaltung. Jetzt kein Schenkelklopfer, aber auch nicht Kierkegaard. Ich denke, diese Distanz hat eher mit der Rezeption zu tun. Aber meine Herangehensweise ist nicht anders als sonst: Ich habe eine Partitur, ein Libretto, Figuren und eine Geschichte, die ich erzählen möchte. Da sind alle Stücke gleich - und gleichberechtigt.

Wie geht es ihnen mit dem Frauenbild im Stück? Stichwort: „Ja, das Studium der Weiber ist schwer!“
Das ist es auch! Aber auch das der Männer. Und der Menschen überhaupt. 

Man wird sich um die Witwe noch schlagen: Robert Bartneck (Raoul de St. Brioche), Michael Havlicek (Vicomte Cascada) (Bild: Werner Kmetitsch)
Man wird sich um die Witwe noch schlagen: Robert Bartneck (Raoul de St. Brioche), Michael Havlicek (Vicomte Cascada)

Aber wie geht man damit heute um?
Liebevoll, humorvoll, mit einem kritischen Blick und einer gewissen Distanz. Man versucht einen Zusammenhang und eine Erzählung zu schaffen, die diese Distanz besitzt, ohne den Bezug zu den Figuren zu verlieren. Das Frauenbild ist in der Tat zwiespältig. Denn natürlich ist diese Hanna eigentlich eine emanzipierte Frau ist, oder eher eine strukturell unabhängige Frau.

Sie kann es sich leisten …
Das ist immer schon die Funktion der Witwe in der Literatur. Das ist wirklich ein Topos bis ins 20. Jahrhundert, wenn man eine Frau braucht, die begehrenswert sein kann, aber auch unabhängig und frei sein soll. Das Ganze hat natürlich etwas Altbackenes. Und genau damit wollte ich spielen.

Inwiefern?
Wir haben mit dem Alter der zwei Hauptfiguren gespielt. Damit öffnen wir viele Türen, wenn sich diese Liebesgeschichte über Jahrzehnte spannt. Nicht nur bei den Emotionen. Diese Frauenfigur der Witwe, dieses „ganz nach Pariser Art" war für seine Zeit ganz schön frech, in einem guten Sinne. Es kommt einem heute aber auch ein bisschen altmodisch vor, im liebevollsten Sinn. Das sehe ich als Metapher für das Stück selbst. Hanna und ihr Danilo verkörpern genau das.

Lustige Witwe: Hedwig Ritter (Valencienne) - eine antsändige Frau? (Bild: © Werner Kmetitsch / Volksoper Wien)
Lustige Witwe: Hedwig Ritter (Valencienne) - eine antsändige Frau?

Wann spielt ihre Witwe, wann treffen sich die beiden wieder?
Der historische Realismus ist mir egal. Wichtig ist mir, zu verstehen, dass Zeit vergangen ist. Im Stück sind es ein paar Monate her, dass Hanna den reichen Glawari geheiratet hat, der dann in der Hochzeitsnacht gestorben ist. Bei uns ist das alles vor Jahren passiert. Sie liebten sich, doch das soziale Milieu hat nicht gepasst, Danilo hatte nicht den Mut sie trotzdem zu heiraten. Sie hatten beide ein gebrochenes Herz, und jetzt treffen sie wieder aufeinander. Da muss Zeit vergangen sein, sonst ist es nicht so brisant.

Auch die Tatsache, dass dieser alte Mann immer noch zu Maxim geht und sagt, da fühle ich mich zu Hause, bekommt damit ein anderes Gewicht, als wenn das ein Junger singt. Man erkennt, wie er an seinem Leben vorbeigegangen ist, weil er damals die falsche Entscheidung getroffen hat. Im Nachhinein erscheint es so lächerlich, dass man damals nicht den Mut hatte und geheiratet hat.

Dasselbe gilt für Hanna. Sie entgegnet bereits im Auftrittslied den sie bedrängenden Franzosen, ach das ist alles nur wegen des Geldes. Aber wenn sie sexy und jung ist, so eine Marilyn Monroe, dann versteht man nicht, warum sie das sagt. Dann wird es ein reines Kokettieren. Nachdem aber das Geldthema dramaturgisch so wichtig ist, muss man das auch aufwerten. Durch das Alter kommt es gut rüber, dass die Männer sie ganz klar wegen ihres Geldes wollen.

Wenn die Grisetten streiken (Bild: © Werner Kmetitsch / Volksoper Wien)
Wenn die Grisetten streiken

Wie alt sind die beiden denn?
Das möchte ich nicht bestimmen. Was bedeutet alt? Ich kenne Menschen, die sind sechzig und sehen älter aus, als andere, die achtzig sind.

Und es darf Unterhaltung bleiben?
Auf jeden Fall! Ich finde nicht, dass Unterhaltung mit Intelligenz inkompatibel ist. Ich sehe da keinen Widerspruch.

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