„Wird zerbröckeln“

Wie Nawalny Putin über den Tod hinaus verfolgt

Ausland
02.03.2024 06:00

Er nannte ihn „die Person“ oder „den von Ihnen erwähnten Staatsbürger“: Wenn der russische Präsident Wladimir Putin von Alexej Nawalny sprach, nahm er nie dessen Namen in den Mund. Ließ sich die Erwähnung seines prominentesten Kritikers nicht vermeiden, wich der Kreml-Chef auf sprachliche Verrenkungen aus. Nun ist Nawalny tot. Nach seinem Tod in einem russischen Straflager wurde der Oppositionspolitiker am Freitag in Moskau beigesetzt.

Abzuwarten bleibt nun, welchen Einfluss der unbequeme Nawalny auch über seinen Tod hinaus haben wird. Putins Weigerung, den Namen des Mannes auszusprechen, der sich von einem Anti-Korruptions-Blogger zu seinem Hauptgegner entwickelte, war auch ein Versuch, die eigene Beschäftigung mit Nawalny zu überspielen. Immer wieder musste sich der russische Präsident jedoch auch öffentlich zu Nawalny äußern.

Als Putin nach Gesprächen mit US-Präsident Joe Biden im Juni 2021 in Genf nach Nawalny gefragt wurde, antwortete er mit Formulierungen wie „der Staatsbürger, den Sie erwähnt haben“, „diese Person“ und „dieser Herr“. Als er sich im selben Monat in einem Interview im US-Fernsehen zur Inhaftierung des Oppositionspolitikers äußern musste, meinte Putin laut Aufzeichnungen aus dem Kreml, er erwarte, dass „die Person, die Sie erwähnt haben“, im Gefängnis wie andere Menschen behandelt werde.

Als der Journalist dann selbst den Namen Nawalny erwähnte, entgegnete der Kreml-Chef: „Sie können ihn nennen, wie Sie wollen, er gehört zu den Leuten, die im Gefängnis sind.“

Nawalny teilte mit ungewohnter Härte gegen Kreml aus
Nawalny zeigte sich stets unerschrocken gegenüber dem Kreml. Während Protesten in den Jahren 2011 und 2012 erklärte er: „Wir können den Kreml einnehmen.“ Bei der Bürgermeisterwahl in Moskau im Jahr 2013 trat er gegen den von Putin unterstützten Amtsinhaber Sergej Sobjanin an. Zudem baute er sich parallel auch außerhalb der großen Städte wie Moskau und St. Petersburg ein Netzwerk an Unterstützern auf.

Nawalny führte „die härtesten Untersuchungen durch, die das Land je über den grenzenlosen Zynismus und die Korruption der Machthaber gesehen hat“, sagte Andrei Kolesnikow, Experte am Carnegie Russia Eurasia Center. Der Kreml-Kritiker habe für die riesige Nation „eine Alternative“ dargestellt.

Hier berichtet Nawalny im investigativen Dokumentarfilm „Ein Palast für Putin“ über die Besitztümer des Kreml-Chefs am Schwarzen Meer. Darunter befand sich die angeblich teuerste Residenz der Welt, die er als den „größten Raub in der Geschichte Russlands“ bezeichnete. (Bild: APA/AFP/Alexander NEMENOV)
Hier berichtet Nawalny im investigativen Dokumentarfilm „Ein Palast für Putin“ über die Besitztümer des Kreml-Chefs am Schwarzen Meer. Darunter befand sich die angeblich teuerste Residenz der Welt, die er als den „größten Raub in der Geschichte Russlands“ bezeichnete.

Bis kurz vor seinem Tod zeigte sich Nawalny trotzig und kämpferisch. Über sein Team veröffentlichte er auch aus seiner Haft am Polarkreis noch Nachrichten, in denen er das Ende von Putins Herrschaft voraussagte. „Sie wird zusammenbrechen und zerbröckeln. Der Putin‘sche Staat ist nicht haltbar. Der Sieg ist unvermeidlich“, schrieb er noch im Jänner. Am 16. Februar wurde der Tod des 47-Jährigen bekannt gegeben. Die genauen Umstände sind weiter unklar.

Die Anhänger Nawalnys und zahlreiche westliche Politiker machen die russische Führung und Putin für Nawalnys Tod verantwortlich. Moskau weist die Anschuldigungen zurück. Zu Nawalnys Trauerfeier am Freitag in Moskau kamen Tausende.

Gedenken gegenüber der russischen Botschaft in Wien. In großen Lettern ist zu lesen: „Putin, wir haben dich so satt“ und „Selbst als Toter ist er lebendiger als ihr“. (Bild: Angelika Eliseeva)
Gedenken gegenüber der russischen Botschaft in Wien. In großen Lettern ist zu lesen: „Putin, wir haben dich so satt“ und „Selbst als Toter ist er lebendiger als ihr“.

Trauer vor russischer Botschaft in Wien
Dem Begräbnis in Moskau beiwohnen wollte auch die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic. Doch die russische Botschaft lehnte ihren Visumsantrag ab. „Das habe ich in meiner langjährigen Tätigkeit als Abgeordnete im Parlament noch nicht erlebt und reiht sich auch in das Gesamtbild der Schikanen ein, die es in Russland selbst gibt, um die Familienangehörigen und die Bevölkerung davon abzuhalten, Nawalny die letzte Ehre zu erweisen“, zeigte sie sich überzeugt.

Die Grünen-Politikerin lud daher am Freitag zu einem Gedenken vor der russischen Botschaft in Wien und erinnerte in einer emotionalen Botschaft: „Nawalny hat seinen Einsatz für Meinungsfreiheit und gegen das Putin-Regime mit dem Leben bezahlt. Sein Einstehen für ein demokratisches Russland ist sein Vermächtnis und zugleich Auftrag an uns alle. Ruhe in Frieden, Alexej.“

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