Was für ein Erlebnis! Philipp Hochmair, der neue Jedermann, blätterte im Linzer Posthof einen Text von Adalbert Stifter auf. Er machte aus der verstaubten Literatur einen grandiosen, experimentellen Trip mit Elektrosound.
„Stifter, wo bist du? Komm zu uns – in den Posthof!“, beschwört Philipp Hochmair Adalbert Stifter und es liegt eine Spannung in der Luft, als ob der Dichter-Gigant tatsächlich herabsteigt. Was für ein Start für „Der Hagestolz“, den Stiftertext, den Hochmair am Freitag im Posthof Linz als großartiges Kopfkino inszenierte.
Ohne Band geht‘s nicht
Dabei gelang die Grätsche zwischen hoher Rezitierkunst und Underground-Konzert. Neben Hochmair auf der Bühne stand die Band Elektrohand Gottes mit Fritz Rainer (Schlagzeug), Hanns Clasen (u.a. Gitarre) und dem Oberösterreicher Peter Heftberger (Tuba).
Letzterer machte mit zarter Blasmusik das Panorama der Landschaft Stifters auf, durch die Hochmair den jungen Victor schickte: Der gutherzige Waise verlässt die Ziehmutter, um den Oheim zu besuchen, der ihm eine Lektion erteilt.
Zwei Seelen in einer Brust
„Eine Konfrontation zweier ganz unterschiedlicher Sichtweisen. Der eine hat das Leben noch vor sich, der andere schon hinter sich – beide sprechen mir gleichzeitig aus der Seele“, sagte Hochmair zur „Krone“, der das Solo „Hagestolz“ anlässlich seines 50. Geburtstag erarbeitete. Er hat bekanntlich ein Faible dafür, Klassiker eindrucksvoll zu entstauben.
Ungewöhnlich zahm
Der künftige, neue Jedermann am Salzburger Domplatz gab sich dieses Mal aber ungewöhnlich sittsam. Keine Hüpferei, keine Ekstase, nur Lesung pur. Freilich: In Wellen erzeugte er große Emotionen zu an- und abschwellenden Klangkaskaden mit forderndem Schlagzeug und heulender E-Gitarre.
Punktuell frischten Vogelgezwitscher und Wasserplätschern das breite Panorama Stifters auf. Manche Sätze wurden in die Loop-Maschine gesprochen, blieben als Echo länger stehen. Insgesamt gelang ein dynamischer Trip, voll Respekt vor der hochästhetischen Sprache, die mit dieser genialen Klangkulisse in der Gegenwart verankert wurde.
Die Liebe am Zerreißpunkt
Am Ende war es dann doch noch wild, denn Hochmair brüllte „Love will Tear Us Apart“, einst größter Hit von Joy Divison, nun verzweifeltes Auflehnen gegen die Macht des Schicksals. Standing Ovations!
Service: Philipp Hochmair und „Der Hagestolz“ u.a.: 8. März, Stadttheater Hallein, Salzburg; 10. März, Tischlerei Melk, Niederösterreich; 8. Juni, Universität Salzburg; 16. Juni, Theater Meggenhofen, Oberösterreich.
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