Jedes Jahr zum Frauentag wird über Gleichstellung gesprochen und jedes Mal hat man das Gefühl, die Debatte dreht sich im Kreis. Ein Kreis kluger Menschen hat eine neue Idee, wie man Mädchen beruflich voranbringen könnte. Informatik soll Maturafach werden, fordern Wissenschafter. Die „Krone“ kennt die Details.
Informatik Austria, ein Zusammenschluss der Informatik Fakultäten und Institute der Universitäten in Österreich, fordert von der Politik mindestens vier Stunden Informatik in der Gymnasium-Oberstufe und die Einführung als Maturafach. Derzeit gibt es lediglich zwei Stunden in der 9. Schulstufe. „Dann ist es vorbei. Bis zur Matura haben die Schüler alles wieder vergessen“, sagt Gerti Kappel, Dekanin an der TU Wien, im Gespräch mit der „Krone“.
Das Informatik-Institut der TU Wien gehört mit 78 Professoren zu den größten in Europa. Über 25 Prozent der Professoren sind Frauen, bei den Studierenden sind es noch immer unter 20 Prozent. „Ich habe 1979 zu studieren begonnen. Da waren wir 15 Prozent. Jetzt schwanken wir zwischen 17 und 19 Prozent“, so Kappel.
Warum ist da nichts weitergegangen? „Weil die Schule so konservativ ist und weil wir kein vernünftiges Pflichtfach Informatik in der Schule haben, das maturawertig ist. Wir haben in der Gymnasium-Unterstufe die digitale Grundbildung von der 1. bis zur 4. Schulstufe je eine Stunde pro Woche. Da werden Anwendungskompetenzen (Programmanwendungen und 10-Finger-System) und Medienkompetenzen (Fakenews, Mobbing, etc.) gelernt. Das ist alles wichtig, ist aber nicht das Fach, wo es darum geht, zu verstehen, was es heißt, algorithmisch zu denken und was Informationstechnologie bedeutet.“
Freunde, das ist zu wenig. Wir sind in einer datengetriebenen Gesellschaft.
Gerti Kappel
Jetzt gibt es in der 1. Oberstufe zwei Stunden Informatik. „Wir sagen: Freunde, das ist zu wenig. Das muss maturawertig werden. Wir sind in einer datengetriebenen Gesellschaft.“ Schule müsse den jungen Menschen erklären und bewusst machen, wie Informationstechnologie funktioniert. „Es geht auch darum zu verstehen, wie ich Algorithmen bauen kann.“
Die Europäische Kommission schätzt, dass bis 2030 in der EU 750.000 Informatiker fehlen werden. Dieser Mangel wird voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft haben und die EU bis 2030 jährlich 115 Milliarden Euro kosten.
An den AHS geht es um 20.000 Schüler jährlich, 85 Prozent maturieren, 60 Prozent davon sind weiblich. Demnach geht um 12.000 Frauen. Diese Frauen sollen nicht als Sekretärinnen in den IT-Firmen, sondern als IT-Fachkräfte landen, fordert der Informatiker-Zusammenschluss.
Im Gymnasium sind 50 Prozent Frauen und im Studienfach Informatik nicht mal 20 Prozent. „Wenn das Fach Maturafach werden würde, wäre es erstens viel interessanter als Lehramt, weil man dann mehr Stunden in der Schule hätte als Lehrer. Und zweitens wäre es für die Schüler interessanter. Dass das funktioniere, zeige die Tatsache, dass im Mathematikstudium 40 bis 50 Frauen sind, in der Chemie sind es über 50 Prozent. „Warum ist das so? Weil sie in Chemie maturiert haben und es super gefunden haben“, sagt Kappel. Die Technik per se ist nicht das Problem, die Frauen wurden nicht dazu erzogen.
Ein Grundverständnis der Informatik für alle ist unverzichtbar. Alle Österreicher haben ein Grundverständnis von Physik, Chemie, Mathematik, Sprachen, usw. Eine Managerin ohne Gespür für Zahlen ist in vielen Positionen eine Fehlbesetzung. Ebenso muss jeder Österreicherin, egal in welche Position, ein Verständnis der Grundlagen der Informatik mitbringen, damit die Wirtschaft von den Vorzügen deren profitieren kann.
Auch ein europäischer Vergleich zeigt, dass Österreich Nachholbedarf hat. Vor allem im Osten Europas, etwa in Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Slowakei und Serbien ist Informatik als Pflichtfach eine Selbstverständlichkeit. In Griechenland, Serbien und Bosnien wird schon in der Volksschule Informatik unterrichtet. Und in Lettland, Ungarn, Polen und Slowakei gibt es in der Gymnasium-Unterstufe durchgehen Informatik-Unterricht.
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