Neuwahlen gefordert
Israels Koalition zerbrach an Wehrpflicht-Streit
Die Regierungskoalition von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu wird damit deutlich geschwächt, verliert aber nicht die Mehrheit im Parlament - sie verfügt dank kleinerer Parteien auch ohne Kadima über 66 von 120 Sitzen. Die für Herbst kommenden Jahres angesetzten Parlamentswahlen könnten nun vorgezogen werden. Oppositionspolitiker fordern rasche Neuwahlen.
Historisches Urteil als Hintergrund
Hintergrund des dramatischen Schritts ist ein heftiger Streit über mehr Gerechtigkeit bei der Wehrpflicht in Israel. Israels höchstes Gericht hatte sich im Februar in einer historischen Entscheidung gegen eine Freistellung tiefreligiöser Juden vom Militärdienst ausgesprochen. Das sogenannte Tal-Gesetz müsse bis August geändert werden. Kadima-Chef Shaul Mofaz und Netanyahu konnten sich jedoch nicht auf die Details eines neuen Gesetzesentwurfs einigen.
Der israelische Rundfunk berichtete, 25 Abgeordnete der in der politischen Mitte angesiedelten Kadima-Partei hätten für und drei gegen ein Ausscheiden aus der Regierung gestimmt. "Wir gehen hocherhobenen Hauptes in die Opposition, um der Öffentlichkeit zu dienen", schrieb Mofaz in einem Brief an Netanyahu. Zudem griff er den Regierungschef scharf an und beschrieb ihn als "Ultrarechten". Netanyahu habe sich auf die Seite der Drückeberger geschlagen, die keinen Wehrdienst leisten. Mofaz' mit 28 Abgeordneten größte Fraktion im Parlament war erst vor zwei Monaten in die Regierung eingetreten.
Zehntausende Juden jährlich befreit
Zur Zeit der Staatsgründung 1948 war vereinbart worden, ultraorthodoxe Juden vom Armeedienst zu befreien. Davon waren damals jedoch nur etwa 400 Religionsstudenten betroffen. Angesichts der hohen Geburtenraten in ultraorthodoxen Familien werden heute Zehntausende strengreligiöser Juden im Jahr vom Armeedienst befreit, der für Männer drei und für Frauen zwei Jahre dauert. Dies sorgt bei der säkularen Mehrheit für großen Zorn.
Mofaz lehnte am Dienstag einen Kompromissvorschlag Netanyahus ab, Ultraorthodoxe und arabische Israelis statt mit 18 bis zum Alter von 23 Jahren einzuziehen. Wehrdienstverweigerer könnten laut dem Vorschlag bis zum Alter von 26 Jahren Ersatzdienst leisten, etwa bei der Feuerwehr oder der Polizei. Mofaz geht der Kompromiss jedoch nicht weit genug. Der israelische Rundfunk zitierte Vertraute von Mofaz mit der Einschätzung, der Kompromiss werde nur zur Einziehung von der Hälfte der angestrebten Zahl von Wehrpflichtigen führen.
Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak sagte nach dem Ausscheiden von Kadima, ohne alternativen Gesetzesentwurf werde man schon von August an mehr strengreligiöse Juden in die Armee einziehen.
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