07.03.2024 14:30

Schuldnerberater:

„Fördern die, die es nicht dringend brauchen“

Schuldnerberatungen haben im vergangenen Jahr einen regelrechten Ansturm erlebt. Gestiegene Lebenserhaltungskosten und Wohnkosten sowie Arbeitslosigkeit und Einkommensverlust ließen 2023 fast 22.000 Menschen zum ersten Mal Kontakt mit einer Schuldnerberatung aufnehmen. Gegenüber 2022 verzeichne man einen Anstieg um fast 17 Prozent, erklärt der Geschäftsführer der Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich, Clemens Mitterlehner.

Hauptgründe für Verschuldung sei nach wie vor Einkommensverminderung und Arbeitslosigkeit. „Wir sehen aber gerade im Vergleich vom Jahr 2022 auf 2023, dass immer mehr Menschen mit der Inflation kämpfen. Mittlerweile sagt jede achte Person, die zur Schuldnerberatung kommt, dass dies der Hauptgrund sei, warum sich das bei ihnen nicht mehr ausgeht“, so Mitterlehner im Talk mit Jürgen Winterleitner. Bemerkenswert sei auch, dass Frauen noch stärker betroffen sind: „Hier sind es über 14 Prozent, die sagen, die Teuerung ist der Hauptüberschuldungsgrund.“

Was sozialpolitische Erleichterungen betreffe, gebe es viele Maßnahmen mit vielen Details, so Mitterlehner, der im Gespräch einige Beispiele herausgreift. Der Familienbonus plus, sei etwa so gestaltet, dass der volle Familienbonus nur Menschen zugutekomme, die ein relativ gutes Einkommen haben. „Wenn es tatsächlich eine familienfördernde Maßnahme sein soll, ist das ja genau verkehrt herum. Es werden jene gefördert, die es nicht so dringend brauchen wie andere.“

Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich, Clemens Mitterlehner (Bild: krone.tv)
Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich, Clemens Mitterlehner

Ein zweites großes Thema sei die Arbeitslosigkeit, die in der Schuldnerberatung seit jeher ein großes Thema ist: „Wir sehen, dass mit der Nettoersatzrate von 55 Prozent viele Menschen einen finanziellen Schock erleiden, wenn sie arbeitslos werden. Also, wenn ich Sie jetzt frage, Sie hätten auf einen Schlag Nummer 55 Prozent des Einkommens, Sie würden auch zum Grübeln beginnen, wie sich das alles ausgeht.“ Ein möglicher Lösungsvorschlag: „Wir fordern seit längerem mit anderen Einrichtungen auch, dass diese Nettoersatzrate auf 70 Prozent erhöht wird, um diesen finanziellen Schock nicht zu groß werden zu lassen.“

Langzeitarbeitslose „werden so oder so keinen Job finden“
Steuerliche Anreize die Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit dem Österreichplan vorgestellt hat, wie etwa einen Vollzeitbonus und Anreize für Vollzeitarbeit sieht Mitterlehner skeptisch. „Diese Maßnahmen können bei einer bestimmten Bevölkerungsgruppe funktionieren, nämlich bei Menschen, die nicht ganz schlechte Chancen am Arbeitsmarkt haben. Das große Problem am Arbeitsmarkt seien aber Langzeitarbeitslose.

(Bild: P. Huber)

„Egal wie viele ,motivierende Faktoren‘ da enthalten sind, die werden so oder so keinen Job finden, weil sie zum Beispiel gesundheitliche Probleme haben, weil sie eine schlechte Ausbildung haben, weil sie sprachlich am Arbeitsmarkt schlechte Karten haben.“ Laut Mittlerlehner könne man von diesen Leuten lernen, wie man sparsam mit Geld umgeht. „Also es ist nicht so, dass sie sozusagen in die Schublade gesteckt werden sollten und sagen, die sind alle selbst schuld.“

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