Der heurige Frauentag ist von einer Serie an Frauenmorden überschattet. Gerade die aktuellen Fälle zeigen, „dass die Motive und Hintergründe sehr unterschiedlich sind“, sagt Frauenministerin Susanne Raab. „Die traurige Wahrheit ist, dass trotz des stark ausgebauten Gewaltschutzsystems nicht jeder einzelne tragische Fall verhindert werden kann.“
„Wenn es im Vorfeld keine Hinweise gibt, ist es von staatlicher Seite sehr schwierig, hier präventiv vorzugehen. Es ist wichtig, dass wir an die Zivilcourage der Menschen appellieren und auch betroffene Frauen selbst ermutigen, dass sie sich zum frühestmöglichen Zeitpunkt, wenn sie die ersten Anzeichen einer physischen oder psychischen Gewalt erkennen, an eine Einrichtung wenden. Ich werde eine neue Informationsoffensive in den nächsten Wochen starten, mit der wir noch einmal auf alle Hilfsangebote hinweisen“, kündigt die Ministerin an.
In Hinblick auf die jüngsten Vorfälle mit Minderjährigen unterstützt Raab den Vorschlag von Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer nach einer Senkung der Strafmündigkeit, sie nimmt aber auch die Eltern in die Pflicht. „Wenn ein Mädchen hier über Monate sexuell missbraucht und vergewaltigt wird, stellt sich einerseits die Frage, wo waren die Eltern der Täter, und die zweite Frage, was ist hier die richtige Antwort des Rechtsstaates.“
„Unsere Daten zeigen, dass Gewalt unterschiedliche Gesichter hat und unterschiedliche Hintergründe. Es sind Suchtprobleme häufig Thema, psychische Erkrankungen, aber ja, auch ein überproportionaler Anteil an Tätern mit Migrationshintergrund. Auch das ergibt sich aus der wissenschaftlichen Analyse der Frauenmorde der letzten zehn Jahre. Da dürfen wir auch nicht auf einem Auge blind sein, das muss man auch sagen können, und über das muss man auch offen sprechen können.“
Bei der Gleichstellung ist Raab der Meinung, dass „in zentralen Bereichen sehr viel weitergegangen ist, aber natürlich sind wir noch nicht am Plafond angekommen“. Raab nennt die 4,5 Milliarden für den Ausbau der Kinderbetreuung, die Einführung der Gewaltambulanzen und Maßnahmen zu Stärkung der Vaterrolle. „Der Weltfrauentag erinnert uns ja auch daran, wie die Gleichberechtigung in unterschiedlichen Ländern der Welt aussieht und woran wir noch weiterarbeiten müssen.“
Ein immer wieder kehrendes Thema ist die Gehaltsschere. Raab pocht weiter auf das auch im Österreichplan von Bundeskanzler Karl Nehammer verankerte automatische Pensionssplitting. „Wir haben einen Gesetzentwurf bereits vorgelegt. Ich bin einfach davon überzeugt, dass es eine gesellschaftspolitische Maßnahme ist, die weit über die Legislaturperiode hinauswirkt und gerade für ältere Frauen in einem höheren Alter auch zu mehr Selbstbestimmung führt, weil dadurch auch mehr Pension bei den Frauen ankommt. Das will ich, das ist, wofür ich kämpfe.“
Die Ministerin ist überzeugt, dass der Fachkräftemangel zu mehr Lohngerechtigkeit führen werde. „Als Unternehmen muss ich mich gut aufstellen, auch was Frauenförderung betrifft, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrifft und da gehören Punkte wie Transparenz auch dazu.“
Auf Herdprämien-Modelle wie unter der schwarz-blauen Regioerung in Salzburg angesprochen, weicht Raab aus und verweist auf die Zuständigkeit der Länder hin. Kinderbetreuung sei Ländersache, aber sie wolle für die Frauen 100-prozentige Wahlfreiheit. „Sie sollen sich selbst aussuchen, wie sie ihren Alltag gestalten und ob sie früher in den Erwerb einsteigen oder auch etwas später.“
Expertin sieht auch positive Entwicklung bei Gehaltsdebatte
Der Gender Pay Gap ist alle Jahre wieder ein zentrales Thema. Frauen verdienen im Schnitt viel weniger als Männer. Österreich ist hier im internationalen Vergleich recht schlecht unterwegs. Laut Eurostat betrug 2022 die Lücke 18,4 %, und lag damit deutlich über dem EU-Schnitt von 12,7 Prozent. Nur Estland ist in der EU noch schlechter-21,3 %. Nimmt man die Teilzeitbeschäftigung mit dazu, beträgt der Unterschied zwischen Männern und Frauen in Österreich 35 %. „Man muss bei den Berechnungen aber vorsichtig sein. Denn Teilzeit macht in Österreich einen bedeutenden Teil aus. Nämlich 50 % bei den Frauen“, sagt Carmen Treml von der Agenda Austria.
Enorme Einbußen durch die Karenz
Außerdem werde oft nicht zwischen selbständig oder unselbstständig unterschieden. „Wir von der Agenda vergleichen unselbstständig Vollzeitbeschäftigte. Da beträgt die Lücke 12,4 %. Im Jahr 2004 waren es noch 20,8%. Das heißt: Da hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten einiges getan. Es gibt auch eine positive Entwicklung.“ Doch warum ist die Lücke noch immer so groß? Treml benennt die zentralen Punkte. Einerseits die Berufswahl, nach wie vor gebe es in Österreich die klassischen Männer- und Frauenberufe. Zweitgenannte sind meist eher gering entlohnt. Wie Tätigkeiten im Sozialbereich. Weiters: Die oft bemühte Elternkarenz und Kinderbetreuung. „96 % der Betreuung wird von Frauen verrichtet. Die sind danach auch wieder in Teilzeit. Das wirkt sich aus bis zum Pensionsalter.“ Überdies: Frauen erleiden durch eine Karenz 70-80 % an Einbußen, bei Männern gibt es keine Auswirkungen. Ein Aufstocken von Teil- auf Vollzeit zahle sich zudem oft nicht aus, „da die Steuerprogression so stark bei mittleren Einkommen zuschlägt.“ Vollzeit müsse attraktiver werden, Karenz müsse besser aufgeteilt werden, fordert Treml.
Österreich mit hoher Erwerbsquote bei Frauen
Für den Ausbau der Kinderbetreuung hat die Regierung neulich 4,5 Milliarden freigegeben. „Ein richtiger Schritt. Die Frage ist, wie das umgesetzt wird.“ In Wien sei die Kinderbetreuung sehr gut aufgestellt, in ländlichen Regionen nicht.
Übrigens: Sehr gut ist Österreich bei der Erwerbsquote von Frauen generell. 70 % sind über dem EU-Schnitt. In Italien sind nur 51% der Frauen berufstätig. Dafür beträgt der Pay Gap nur 4,3%. Carmen Treml: „Da stellt sich die Frage, was besser ist.“ Fest steht. In Österreich gibt es noch jede Menge an Verbesserungsbedarf.
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