"US-Verschwörung"

Taliban verbieten Polio-Impfungen in Pakistan

Ausland
21.07.2012 11:52
Impfen verboten! In weiten Teilen Pakistans untersagen radikalislamische Taliban den Menschen neuerdings, ihre Kinder gegen Kinderlähmung schützen zu lassen. Fast überall auf der Welt gilt Polio als ausgerottet. Nur aus Nigeria, Afghanistan und Pakistan werden noch regelmäßig Fälle gemeldet. Im Nordwesten Pakistans kündigten die Islamisten nun ein Polio-Impfverbot an - aus Protest gegen US-Drohnenangriffe. Hinter den impfenden Helfern vermuten sie amerikanische Spione.

Das Verbot gefährde Hunderttausende Kinder, warnen die Gesundheitsbehörden. Sie sind allerdings machtlos, denn in der Region geben die Taliban mit ihren Verbindungen zur Terrororganisation Al-Kaida den Ton an. "Mehr als 200.000 Kinder sind ohne Impfstoff", sagt Mazhar Nisar von der Polio-Beobachtungsstelle der Regierung. "Das macht die Kinder verwundbar." Polio-Infektionen können zu schweren, dauerhaften Lähmungen oder gar zum Tod führen.

Der islamistische Milizenführer Hafiz Gul Bahadur aus Nord-Waziristan war einer der ersten, der Impfungen untersagte. Als Sanitäter verkleidete Spione würden die Impfaktion nützen, um die Region für bevorstehende Drohnenangriffe auszuspionieren, behauptete Bahadur. Im benachbarten Süd-Waziristan ließ der Islamistenführer Maulvi Nazeer Flugblätter mit folgendem Inhalt verteilen: "Im Gewand dieser Impfkampagnen operieren die Spionage-Ringe der USA und ihrer Verbündeten. Sie haben Tod und Vernichtung in Form der Drohnenangriffe gebracht."

Bin Laden bei vorgetäuschter Polio-Impfaktion aufgespürt
Derartige Anschuldigungen der Islamisten gibt es schon seit Jahren - die Tötung von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden im Jahr 2011 hat die Propaganda der Taliban allerdings noch angeheizt. Im Rahmen einer vorgetäuschten Polio-Vorsorgeaktion in Bin Ladens Versteck Abbottabad soll ein pakistanischer Arzt den Amerikanern geholfen haben, an DNA-Proben der Familie zu kommen. Im Mai wurde der Arzt Shakeel Afridi zu 33 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestreitet, dass Afridi eine Polio-Impfaktion durchgeführt hat.

Die pakistanische Regierung versucht bisher erfolglos, die Stammesältesten davon zu überzeugen, dass Impfungen und Drohnen in keinem Zusammenhang stehen. Bei den im Volk verhassten Attacken würden immer wieder Unschuldige getötet, was militante Tendenzen verstärke, lautet der Standpunkt der Regierung. Washington jedoch sieht die Drohnenangriffe als probates Mittel im Kampf gegen radikale Islamisten.

In der vergangenen Woche entschied auch ein Stammesrat in Nord-Waziristan, das Impfverbot der Islamisten zu unterstützen. Und zwar so lange, bis die USA aufhörten, mit Drohnen "immer wieder unschuldige Frauen und Kinder" zu töten, zitierte die Zeitung "Dawn".

Aberglaube erschwert Impfkampagne
Auch außerhalb der Stammesgebiete haben es die Gesundheitsexperten schwer. Seit Jahren hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die Impfungen Teil eines Komplotts sind, um heimlich die Fruchtbarkeit der Muslime zu senken. Für andere wiederum verstößt eine Impfung gegen Glaubensgrundsätze. In Islamabad wurde vor wenigen Tagen ein freiwilliger Helfer von einem wütenden Vater verprügelt, als er dessen Kind impfen wollte. In Karachi wurde der Wagen eines Arztes beschossen. Der Mann unterstütze die WHO-Impfkampagne.

Die Impfverbote sind ein herber Rückschlag in Pakistans Kampf gegen das Poliovirus. Im Jahr 2011 wurden insgesamt 198 Fälle gemeldet. In diesem Jahr waren es zwar erst 23, doch ein Impfverbot könnte diesen Fortschritt schnell wieder rückgängig machen, warnen Experten. Elf der diesjährigen Erkrankungen seien aus den relativ dünn besiedelten Stammesgebieten gemeldet worden.

Die WHO will trotz aller Schwierigkeiten weiterhin impfen. WHO-Poliokoordinator Mike Durry: "Der einzige Weg, Polio auszurotten, ist jedes einzelne Kind zu impfen."

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