Traum ausgeträumt

Massiver Exodus von Immigranten aus Spanien

Ausland
25.07.2012 15:25
Sandra Gómez (Bild) stehen die Tränen in den Augen. Die Ecuadorianerin sitzt auf dem Madrider Flughafen Barajas neben ihrem Koffer. "14 Kilogramm Gewicht - das ist alles, was ich nach zwölf Jahren Spanien mit nach Hause nehme", sagt die 48-Jährige. Sie teilt das Schicksal Zehntausender lateinamerikanischer Immigranten, die in den vergangenen Monaten wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise Spanien verlassen haben. Ihr Traum von mehr Wohlstand und einer besseren Zukunft für ihre Kinder ist geplatzt.

Für Sandra Gómez und ihre Familie haben die Probleme vor zwei Jahren angefangen. Ihr 52-jähriger Ehemann verlor seinen Job als Elektriker und musste Arbeitslosengeld beantragen. In Spanien gibt es diese Hilfe für zwei Jahre, dann bekommt ein Arbeitsloser ein halbes Jahr lang nur noch etwa 430 Euro im Monat - danach nichts mehr. Spanier können in diesem Fall oft noch mit der Hilfe ihrer Eltern rechnen, die Immigranten jedoch nicht. Am Ende konnte die Familie aus Ecuador die Hypothek ihrer vor acht Jahren gekauften Wohnung in Leganés, einem Vorort von Madrid, nicht mehr bezahlen. Für Sandra selbst gab es nur noch befristete Arbeit in einer Gärtnerei.

Bau- und Tourismusboom lockte Hunderttausende an
Ähnlich wie das Schicksal der Frau ist die Geschichte Hunderttausender Lateinamerikaner, die in den 1990er-Jahren und im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts nach Spanien auswanderten. Die gemeinsame Sprache und die historischen Beziehungen machten das Land auf der Iberischen Halbinsel zu einem logischen Migrationsziel. Angelockt wurden Emigranten vor allem vom Boom des Bausektors, dem Aufschwung der Tourismusbranche und dem umfangreichen Arbeitsangebot im Dienstleistungsgewerbe.

Doch bereits als die spanische Immobilienblase 2008 platzte, verloren Tausende Immigranten ihren Job. Durch die Ausweitung der Krise wurden zahlreiche Erwerbstätige in Spanien arbeitslos, zurzeit sind es knapp 25 Prozent. Bei den Immigranten sind es sogar mehr als 36 Prozent. Spanien steht im Sommer 2012 vor dem Abgrund. Das Land kann sich nicht mehr zu tragbaren Zinsen finanzieren. Die Arbeitslosigkeit bricht einen Rekord nach dem anderen. Die Wirtschaft befindet sich in einer Rezession, die nach den - immer optimistischen - Schätzungen der Regierung bis Ende 2013 dauern wird. Immer mehr Immigranten geben auf und treten die Heimreise an.

Die Ecuadorianer bilden mit rund 480.000 Landsleuten nach den Rumänen (810.000) und den Marokkanern (735.000) die drittgrößte Migrantengruppe in Spanien. In den vergangenen Monaten sind nach Angaben der Regierung in Quito etwa 15.000 Ecuadorianer aus Spanien heimgekehrt. Behördenangaben in La Paz zufolge ist im gleichen Zeitraum eine ähnliche Anzahl von Bolivianern zurückgekehrt. Nur die Wenigsten schaffen es, sich in einem anderen Euro-Land eine neue Zukunft aufzubauen.

Die spanische Regierung hatte 2008 ein Programm zur Förderung der freiwilligen Heimkehr arbeitsloser lateinamerikanischer Immigranten in Gang gesetzt. Ihnen wurde die Möglichkeit geboten, den Gesamtbetrag des Arbeitslosengeldes für zwei Jahre sofort zu kassieren - 40 Prozent in Spanien und 60 Prozent nach Ankunft im Heimatland. Im Gegenzug müssen sie eine Erklärung unterschreiben, in der sie sich verpflichten, innerhalb von drei Jahren nicht nach Spanien zurückzukehren. Doch bis 2011 hatten nur ganz wenige Lateinamerikaner die Regierungshilfe in Anspruch genommen. Die meisten wollten unbedingt ausharren in der Hoffnung, dass sich die Lage bald verbessern würde. Aber das Gegenteil war der Fall: Statt abzuflauen hat sich die Krise immer mehr verschärft.

Heimkehr als Eingeständnis des Misserfolgs: "Schäme mich"
Für Sandra Gómez kommt die Heimkehr einem Eingeständnis des Misserfolgs gleich: "Vor allem schäme ich mich. Scham wegen der zwölf Jahre meines Lebens, die ich hier investiert habe. Daraus hätte ich in meinem eigenen Land mehr Nutzen ziehen können." Zusätzlich schmerzhaft für die Frau ist die Tatsache, dass sie mehr an Spanien hängt als sie gedacht hätte: "Jetzt, da ich meine Sachen einpacken muss, habe ich entdeckt, dass ich an meiner Wohnung hänge und dass ich hier Freunde habe." Außerdem sind ihre zwei Kinder - eine 14-jährige Tochter und einen 24-jährigen Sohn - in Spanien aufgewachsen. Für sie bedeutet die Heimkehr nach Ecuador eine soziale Entwurzelung.

Im selben Flugzeug Richtung Quito sitzen María Díaz und ihr Ehemann Juan Carlos. Nach 13 Jahren verlassen sie Spanien mit ihren zwei Kindern im Alter von elf und 14 Jahren. María spricht manchen Schicksalsgenossen aus der Seele, wenn sie sagt: "Wenn es mir sowieso schlecht gehen muss, dann lieber in Ecuador. Das ist mein Heimatland, dort liegen unsere Wurzeln, dort ist unsere Familie."

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