Es sind zwei über Facebook verbreitete Sätze und das Foto eines Polizisten bei einer Anti-Corona-Demo 2021 in Innsbruck, die eine Prozesslawine in ganz Österreich auslösten. Denn der Polizist, der zu Unrecht als gewalttätig an den Facebook-Pranger gestellt wurde, klagte rund 1000 User, die das Foto verbreiteten oder kommentierten. Auch viele Steirer. Am Dienstag wurde in Graz verhandelt.
Hunderte Corona-Gegner demonstrierten im Februar 2021 in der Tiroler Landeshauptstadt. Es kam auch zu Festnahmen. Unter anderem von einem 82-Jährigen, der sich in eine Amtshandlung einmischte. Auch ein damals 32-jähriger Polizist aus Kärnten war dabei, er sicherte die Festnahme ab.
„Der Polizist eskalierte“
Von der Polizeiaktion tauchte kurz danach auf Facebook ein Foto des besagten Polizisten auf, dabei stand: „Lasst dieses Gesicht des Polizisten um die Welt gehen. Dieser Polizist eskalierte bei einer Demo in Innsbruck. Ein 82-jähriger unschuldiger Mann wurde zu Boden gerissen, verhaftet und stundenlang verhört“, schrieb eine Userin – und Tausende teilten vollkommen gedankenlos das Posting.
Es wurde etwas Falsches behauptet und geteilt. 1500 User sollen das gewesen sein, aber nicht alle konnten ausgeforscht werden.
Richter Christoph Lichtenberg
Polizist musste sich rechtfertigen
„Schon am Rückweg vom Einsatz hat mich ein Freund angerufen und gefragt, was ich da gemacht habe“, schilderte der Kärntner bei einem vorangegangenen Prozess in Wiener Neustadt. Auch vor Verwandten, Kollegen und Vereinsmitgliedern hätte es Rechtfertigungsbedarf gegeben. Er wollte den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen und nahm sich einen Anwalt.
70 bis 80 Verfahren allein in Graz
Bei der Verhandlung am Dienstag am Straflandesgericht in Graz waren weder Polizist noch Anwalt anwesend. Es dürfte aber ohnehin alles gesagt sein. Immerhin laufen die Prozesse österreichweit schon seit drei Jahren. „Allein in Graz sind es 70 bis 80 Verfahren“, erklärte Richter Christoph Lichtenberg einer Schulklasse, die zur Verhandlung gekommen war.
Mit Schweine-Emoji kommentiert
Eines dieser vielen Verfahren traf auch einen 62-jährigen Steirer. „Es war ein unbedachtes Posting, das im Nachhinein betrachtet natürlich ein Wahnsinn war“, sagte dessen Verteidiger. „Sie haben diesen Beitrag mit einem Polizei- und einem Schweine-Emoji kommentiert?“, fragte der Richter. „Ja, es tut mir sehr leid.“ – „Sie wussten nicht, dass es falsch war, haben es aber auch nicht überprüft?“ – „Nein“, schüttelte der Pensionist sichtlich geknickt den Kopf.
Es bedarf konsequenter Verfolgung jedes Täters, um die Kommunikationskultur auf Facebook zu verbessern.
Der Anwalt des Polizisten in einem Schreiben an das Gericht
Knapp 5000 Euro Vergleichszahlung
Dem Vergleichsangebot des Polizisten – knapp 5000 Euro (die Hälfte davon sind Anwaltskosten), ein im Internet veröffentlichter Widerruf und das Löschen des Postings – kam der Pensionist umgehend nach. Er hat sich auch entschuldigt. Deswegen gibt es diesmal auch keine Verurteilung. Die Bewährung läuft ein Jahr, die Prozesskosten in der Höhe von 150 Euro zahlt er auch sofort ein. Die Staatsanwältin stimmt der Diversion und der Einstellung des Verfahrens zu.
„Deswegen immer gut nachdenken, bevor ihr das nächste Mal etwas kommentiert oder teilt“, gab der Richter den Schülern noch mit auf den Weg. Denn so ein Posting kann, wie man sieht, ganz schön teuer werden.
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