Unter gleißend hellem Neonlicht montieren zehn Männer Drohnen. Ihre Gesichter zu fotografieren ist verboten, und auch der genaue Ort im Großraum von Kiew muss geheim bleiben. Denn die Firma Skyeton produziert für die Armee im Kampf gegen die russischen Angreifer. „Das ist ein Drohnenkrieg“, sagt Skyeton-Chef Andrij Fialkowsky.
Über den Schlachtfeldern im Osten und Süden des Landes erkunden sowohl ukrainische als auch russische Drohnen mit hochauflösenden Kameras die feindlichen Stellungen. Nachts versuchen die mit Sprengstoff beladenen Flugroboter Ziele weit hinter der Front zu treffen.
Skyeton stellt die Überwachungsdrohne Raybird her, die im Offlinemodus bis zu 2500 Kilometer weit fliegen kann. Drohnen könnten entscheidend für einen Sieg der Ukraine sein, ist Maxim Lewkiwsky, der technische Leiter des Unternehmens, überzeugt. „Die Russen haben einen enormen Vorteil in Bezug auf die Menge an Leuten, Panzern, Flugzeugen und Geld“, sagt im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. „Wir können also nur gewinnen, wenn wir technologisch überlegen sind.“
Eigene Produktion fährt hoch
Angesichts der zögerlichen Lieferungen des Westens versucht die Ukraine ihre eigene Rüstungsproduktion hochzufahren. Die Entwicklung einer modernen Waffenindustrie ist jedoch ein kostspieliges und langfristiges Unterfangen. Vorerst setzt Kiew auf Drohnen, die relativ billig und einfach herzustellen sind. Präsident Wolodymyr Selenskyj will dieses Jahr eine Million Stück produzieren lassen.
Die Produktion im Land könne schnell auf die Entwicklungen an der Front reagieren, sagt Fialkowsky. „Niemand außer uns weiß, welche Ausrüstung, welche Technologien wir brauchen.“ Der technische Leiter Lewkiwsky war selbst beim Militär und Skyeton stellt bevorzugt Mitarbeiter mit Kampferfahrung ein.
Russland versucht die ukrainische Rüstungsindustrie auszuspionieren und zu sabotieren. Bewerber werden bei Skyeton deshalb gründlich überprüft, die Produktion ist auf mehrere Standorte verteilt. „Wir sind ständig in Gefahr, angegriffen zu werden“, sagt Lewkiwsky. Die Sicherheit sei eine der größten Herausforderungen für die Branche.
Es geht um die Sicherheit der Soldaten
Beim Bau der Drohnen geht es auch um die Sicherheit der Soldaten, die sie nutzen. Bei Skyeton testen Mitarbeiter gerade, wie schnell die Flugmaschinen startklar sind. Denn jede Minute, die ein Soldat mit dem Aufbau im Feld verbringt, setzt ihn feindlichem Feuer aus.
Seit dem russischen Einmarsch vor zwei Jahren hat sich die Zahl der ukrainischen Drohnenhersteller den Behörden zufolge auf rund 200 mehr als verdoppelt. „Letztes Jahr gab es einen Boom, da sind sie wie Pilze aus dem Boden geschossen“, sagt Wadym Junyk, der Vorsitzende des Verbands von Drohnenherstellern und Mitbegründer des Unternehmens ISR Defence. Trotzdem ist die Ukraine in dem Bereich noch nicht autark, Mikroschaltungen, Chips und Akkus muss sie importieren. „Es ist derzeit unmöglich, eine 100-prozentig ukrainische Drohne zusammenzubauen“, sagt Junyk.
Ukraine baut verschiedene Modelle
Die ukrainische Produktion reicht von billigen Kamikaze-Drohnen bis zu anspruchsvollen Mehrzweckdrohnen. Die R18 von ISR Defence kann Sprengstoff über feindlichen Zielen abwerfen oder Nachschub zu Soldaten an der Front transportieren. Die Vampire-Kampfdrohnen des gleichnamigen Unternehmens lieferte im Juni 2023 im Süden der Ukraine auch Medikamente und Lebensmittel an die Bewohner von Gebieten, die nach der Sprengung des Kachowka-Damms überflutet waren.
Es ist ein Wettlauf um Innovation zwischen ukrainischen und russischen Herstellern. „Sie lernen, ihre Drohnen besser zu tarnen, und wir lernen, sie besser zu erkennen und unschädlich zu machen“, sagt ein Sprecher von Vampire, der seinen Namen aus Sicherheitsgründen nicht nennt.
Aus Angst, Russland mit wertvollen Informationen zu versorgen, halten sich die Produzenten mit Informationen zu Neuheiten zurück. Skyeton setzt auf Künstliche Intelligenz, um die Navigation zu verbessern, und zur Erkennung feindlicher Stellungen.
Junyk hofft, dass solche Innovationen seinem Land helfen, andere Schwächen auszugleichen, wie zum Beispiel den Mangel an Rekruten. Ein einziger Soldat könne einen ganzen „Schwarm von Drohnen“ steuern, sagt er. „Deshalb müssen wir all unsere Kräfte da hinein stecken.“
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