Seit 25 Jahren finanziert der Staat Weiterbildung für Berufstätige. Das kostet aktuell 512 Millionen pro Jahr. Und es gibt Kritik an der Sinnhaftigkeit.
„Ich bin dann mal weg!“ – Ein Satz voll Vor- und Lebensfreude. Nicht nur für klassische Aussteiger. Für Berufstätige gibt es seit 25 Jahren die Bildungskarenz. Ziel: Zusatzqualifikationen für den Beruf. Vor allem für schlecht ausgebildete, niedrig qualifizierte Arbeitnehmer mit entsprechend niedrigem Einkommen. Nun stellt sich heraus: Das gut gemeinte Modell wird – höflich formuliert – nicht im Sinne des Erfinders mit Leben erfüllt.
„Auf Kosten der Allgemeinheit“
„Es sind nicht hauptsächlich die Schlechtqualifizierten, die mit staatlicher Unterstützung neue Fähigkeiten erlernen, um ihren Marktwert zu steigern. Es sind vor allem solche mit ohnehin guter Ausbildung. Nicht wenige sehen darin offenbar die Gelegenheit, zwischendurch ein Sabbatical auf Kosten der Allgemeinheit einzulegen“, sagt die Ökonomin Carmen Treml von der Agenda Austria.
Der wirtschaftsliberale Thinktank hat sich die Entwicklungen des letzten Vierteljahrhunderts angesehen. Die Bildungskarenz wird immer beliebter – und immer teurer. Alleine seit 2020 haben sich die Kosten fast verdoppelt: Inklusive Sozialversicherungsbeiträgen lagen die Aufwendungen bei 512,1 Millionen Euro für den Staat im Jahr 2023. Im Jahr 2019 waren es noch 213,6 Millionen. Das entspricht in diesem kurzen Zeitraum einem Plus von 140 (!) Prozent. Und eben hauptsächlich besser Gebildete.
Nur 2500 der 22.000 Bezieher haben lediglich Pflichtschulabschluss. Allerdings ist bei rund einem Viertel nicht sicher, welche Art von Ausbildung zugrunde liegt.
„AMS sind hier die Hände gebunden“
Als Aus- bzw. Weiterbildung gelten grundsätzlich alle Optionen, die für die Karriere in gewisser Weise relevant sind. „Das ist weit gefasst. Und lässt viel Spielraum für die Betriebe, die die Karenz genehmigen müssen. Dem AMS sind hier mehr oder weniger die Hände gebunden“, sagt Carmen Treml. Man müsste schon Tauchkurse für Journalisten auf den Seychellen oder Yogakurse für Programmierer in Neuseeland anführen, um abgelehnt zu werden.
Tatsächlich wurden 2022, trotz zahlreicher Einwände, nur zwei Prozent der beim AMS eingebrachten Anträge tatsächlich abgelehnt. Mindestens 20 Wochenstunden müssen für Weiterbildung verwendet werden (bei obsorgepflichtigen Kindern 16). Nur ein Viertel davon muss in Schulungseinrichtungen zugebracht werden.
Trend zur Verlängerung der „Baby-Pause“
Eine weitere Entwicklung: Die meisten Bezieher sind Frauen – bis 2018 lagen die Männer gleichauf. Und es gibt den Trend zur Verlängerung der „Baby-Pause“. 2021 betrug der Anteil an Frauen, die mit Bildungskarenz prolongierten, schon knapp 70 Prozent.
Die Bildungskarenz offenbart zudem den Betrieben ein „Sparen auf Kosten des AMS“ in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.
Die Agenda Austria empfiehlt angesichts dieser Kostensprirale eine Reform der Bildungskarenz. Auch der Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher hat dies bereits angedacht. Schließlich geht es um eine halbe Milliarde an Steuergeld, die hier mehr oder weniger sinnvoll verteilt wird.
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