Die meisten Fälle von häuslicher Gewalt und sexuellen Übergriffen werden nie zur Anzeige gebracht. Wenn Opfer doch Hilfe suchen, dann tun sie das vor allem in Gesundheitseinrichtungen. Die Klinik Innsbruck baut deshalb ihr Hilfsangebot deutlich aus und bietet nicht nur medizinische Betreuung.
Eine Frau kommt mit einem gebrochenen Arm in die Notfallambulanz der Klinik. Für Pflegekräfte und Ärzte ist rasch klar: Hinter der Verletzung steckt häusliche Gewalt. Geschichten wie diese kommen erschreckend oft vor. Laut einer Erhebung sind mehr als 26 Prozent der Patienten in den Notfallambulanzen der Klinik Innsbruck von häuslicher Gewalt betroffen. Nicht nur Frauen, aber vor allem (70 %).
Betroffene können im Grund in allen Bereichen der Klinik auftauchen.
Andrea Hohenegger, stv. Leiterin Opferschutzgruppe
Bild: Birbaumer Christof
Umfassende Betreuung und Beweissicherung
Was tun in so einer Situation? Mit dieser Frage beschäftigt man sich am größten Krankenhaus Tirols seit Jahren intensiv. Mitarbeiter wurden geschult, Opferschutzgruppen eingerichtet, eigene Anlaufstellen geschaffen. Jetzt kommt mit einer neu aufgestellten Gewaltschutzambulanz samt Kompetenzzentrum eine wichtige Einrichtung mit eigenen Räumlichkeiten dazu. Dort erhalten Opfer neben medizinischer Hilfe psychosoziale Betreuung und eine fundierte Beweissicherung für den Fall einer Anzeige.
„Verletzungsdokumentation ist vor Gericht entscheidend“, unterstreicht Marion Pavlic von der Gerichtsmedizin der Medizin-Uni die Bedeutung der Beweissicherung. Auch dann, wenn ein Opfer vorerst keine Anzeige machen will, raten Fachleute dazu. Erhebungen zeigen, dass viele Opfer erst nach einiger Zeit den Mut für den Weg zu Gericht aufbringen. Ohne stichhaltige Beweise ist eine Verurteilung aber kaum realistisch.
Die Kernkompetenzen der Gerichtsmedizin umfassen die Einschätzung von körperlichen Verletzungen und deren gerichtsverwertbare Dokumentation.
Marion Pavlic, Gerichtsmedizin der Medizin-Uni Innsbruck
Bild: Birbaumer Christof
Gesundheitslandesrätin Cornelia Hagele (ÖVP) und Frauenlandesrätin Eva Pawlata (SPÖ) sehen im neuen Kompetenzzentrum ein Vorreiterprojekt. „Es ist niederschwellig und rund um die Uhr erreichbar“, nennt Hagele zwei Vorteile. Pawlata weist darauf hin, „dass vor allem die psychosoziale Beratung ein enorm wichtiges Zusatzangebot zur medizinischen Versorgung ist“.
Neues Schulungsprogramm für Mitarbeiter
Gleichzeitig mit der neuen Einrichtung startet bei den Tirol Kliniken ein Schulungsprogramm für Mitarbeiter. Jede Einrichtung soll einen Gewaltschutzbeauftragten erhalten. Das Wissen soll auch in die Bezirke getragen werden. Welche Rolle Spitäler für Opferschutz spielen, zeigt die Statistik: Suchen Opfer Hilfe, dann vor allem in Gesundheitseinrichtungen (20%), weniger oft bei Polizei (16,9%) und einschlägigen Beratungsstellen (12,5%). Der Großteil versucht sein Martyrium zu verschweigen.
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