Eine halbe Milliarde kostet die Weiterbildung für Arbeitende. Das System sei fehlgeleitet, wird kritisiert. Die Regierung ist bei Änderungen uneins.
512 Millionen Euro kostet die Bildungskarenz den Staat. Also den Steuerzahler. Das war im Jahr 2023. Die Summen sind in den letzten Jahren explodiert. Die Nachfrage ist enorm, nahezu alles wird gewährt. Da müsste man schon als Informatiker einen Tauchkurs auf den Seychellen oder eine Yogaausbildung in Indien beantragen, um abgelehnt zu werden, sagt Carmen Treml süffisant. Die Ökonomin war beteiligt an einer entsprechenden Studie der Agenda Austria, die die Fehlentwicklungen aufzeigt – die „Krone“ berichtete. Und sie fordert Reformen des überteuerten, und nicht effizienten Modells. Es gab schon Reformen, die jedoch dienten laut Agenda nur dazu, dass der Zugang erleichtert wurde.
„Die Anforderungen an Art, Dauer und Nachvollziehbarkeit müssen überarbeitet werden. Es sollte künftig Bedingung sein, dass die Maßnahme die Arbeitsmarktkompetenzen des Beziehers zumindest ergänzt oder erweitert“, sagt die Ökonomin Treml. Auch brauche es eine zentrale administrative Stelle für etwa einheitliche Rechtsanwendungen. Derzeit liegt die Verantwortung diesbezüglich bei den AMS-Landesstellen.
Minister mit Reformplan, Grüne dagegen
Die Agenda spielt den Ball weiter an die Regierung. Nur sie könnte Reformen bzw. Gesetzesänderungen anstoßen. Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hat schon vor einiger Zeit eine gewisse Notwendigkeit einer Adaptierung erkannt und laut darüber nachgedacht. Was sagt er angesichts der aktuellen Zahlen?
„Das Ministerium für Arbeit und Wirtschaft hat mit den Sozialpartnern Gespräche geführt und ein gemeinsames Verständnis über Reformoptionen entwickelt, die an die Grünen herangetragen wurden. Es liegt nun beim Koalitionspartner, diese zu bewerten“, lässt der ÖVP-Politiker die Kugel weiter rollen. Dort angekommen, antwortet Sozialsprecher Markus Koza in aller Deutlichkeit. „Die Bildungskarenz ist eine beliebte und erfolgreiche Maßnahme. Für ,Reformen‘, die in Wirklichkeit Leistungskürzungen zum Ziel haben, stehen wir nicht zur Verfügung.“
Netter Übergang und „Golden Handshake“
Ursprünglich gedacht für schlechter Gebildete, nehmen vor allem Gutgebildete die Möglichkeit wahr, um eine Art „Sabatical auf Kosten des Staates“ zu genießen. Auch für die Arbeitgeber ist die Bildungskarenz ein Segen. Vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann man so Personalkosten sparen, ohne Personal rauswerfen zu müssen. Der Staat bzw. AMS finanziert ja brav. Bis zu maximal einem Jahr. Nach vier Jahren darf neu beantragt werden.
Für das entgangene Arbeitseinkommen gibt es das Weiterbildungsgeld – der Dienstgeber muss keinen Beitrag leisten. Die Höhe des Geldes entspricht dem fiktiven Arbeitslosengeld, also 55 Prozent des letzten durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens.
Nicht selten, vermutet Agenda-Ökonomin Carmen Treml, werde die Bildungskarenz auch als netter Übergang in eine anschließende einvernehmliche Kündigung eingesetzt. „Durch den ,Golden Handshake‘ bleibt die Anstellung noch einige Monate aufrecht, ohne dass noch ein aktives Arbeitsverhältnis besteht. Beide Seiten profitieren.“
Fazit: Die Bildungskarenz ist gut gemeint, aber eher schlecht umgesetzt. „Ich bin dann mal weg“, könnte in absehbarer Zeit nicht mehr ganz so leicht möglich sein.
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