Schottland als Vorbild

Warum Demenz bei uns zu oft ein Geheimnis bleibt

Oberösterreich
16.03.2024 13:00

Nur jeder dritte Betroffene in Oberösterreich ist auch diagnostiziert. In Schottland sind es viel mehr, da die Krankheit hier kein Tabuthema mehr ist. Das will sich unser Bundesland nun abschauen – eine Delegation auf Ideensuche.

Und dann passiert es plötzlich, dass jemand nach 40 Ehejahren dem eigenen Partner ins Gesicht schreit: „Wer bist du? Ich kenn’ dich nicht! Verlass’ meine Wohnung!“

Warnsignale übersehen
Dazu kann es kommen, erzählt die Bad Ischler Wissenschaftlerin Stefanie Auer, wenn zuvor Zeichen von beginnender Demenz zu wenig beachtet werden, etwa: Man findet im Urlaub sein Hotelzimmer nicht mehr oder vergisst vereinbarte Treffen mit Freunden. Dieses zu späte Reagieren, meint Auer, kann, weil fortgeschritten an Demenz Erkrankte hohen Pflegebedarf haben, das Gesundheitssystem gefährden – „wenn wir nicht rechtzeitig dagegen vorgehen“.

Doppelt so viele Erkrankungen erkannt
Das will die oberösterreichische Landesregierung nun tun, daher besucht eine Delegation rund um Gesundheitsreferentin Christine Haberlander und Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (beide ÖVP) derzeit Schottland. Was nicht am berühmten Whisky oder der malerischen Altstadt der Hauptstadt Edinburgh liegt, sondern an einer Zahl: In Österreich werden laut Auer nur 30 Prozent der Demenzkranken auch als solche diagnostiziert – in Schottland sind es, je nach Schätzung, zwischen 50 und 70 Prozent. „Ohne Diagnose keine Behandlung“, sagt Auer, aber gerade die könnte „die gute Zeit verlängern und die Leidenszeit verkürzen“, also den Krankheitsverlauf hinauszögern.

Tabu macht alles schlimmer
Was funktioniert im britischen Land besser? „Das Thema Demenz zu enttabuisieren, das machen die Schotten vorbildlich“, sagt Hattmannsdorfer. Davon will OÖ lernen. Die Idee der schottischen Demenz-Strategie steckt schon in ihrem Namen: „Everyone’s Story“, also „Jedermanns Geschichte“, soll ausdrücken: Die Erkrankung geht uns alle etwas an. Gemeinden, Vereine und sogar Kinder sind eingebunden: Schon Acht- bis Zwölfjährige werden spielerisch aufgeklärt, wie sie ihr Gehirn fit halten können.

LH-Vize Haberlander und Landesrat Hattmannsdorfer trafen die schottische Ministerin für Gesundheit Maree Todd (Mitte). (Bild: Land OÖ/Philipp Albert)
LH-Vize Haberlander und Landesrat Hattmannsdorfer trafen die schottische Ministerin für Gesundheit Maree Todd (Mitte).

Zahl der Patienten wird sich verdoppeln
In OÖ haben derzeit rund 25.000 Menschen eine Demenz-Diagnose, bis 2050 wird sich die Zahl verdoppeln. LH-Vize Haberlander will die Prävention ausbauen und nimmt aus Schottland mit: „Unbedingt das ganze Umfeld der Patienten betrachten und die Zusammenarbeit zwischen den Institutionen stärken.“

Noch ist nix fix
Konkrete Maßnahmen oder ein fixes Budget gibt es noch nicht, Ziel sei, auf Basis der Reise einen Aktionsplan zu entwickeln. Bei null startet Oberösterreich dabei nicht: Über das ganze Bundesland verteilt gibt es elf Demenz-Servicestellen. Dorthin können sich Betroffene und Angehörige wenden, innerhalb von vier Wochen bekommen sie einen Termin für einen kostenlosen Demenz-Test oder eine Beratung. In Schottland müssen Patienten rund ein Jahr auf eine Testung warten.

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