In seinem neuen Buch ist Rudi Anschober 80 und blickt auf ein gutes Leben zurück. Die Energiewende ist vollzogen und die Menschen sind im Einklang mit den Tieren und der Natur.
Auf den Fotos des Verlags steht der ehemalige Sozialminister und „Krone“-Kolumnist in einer Wiese und sieht ziemlich glücklich aus. Die Stadt Wien liegt ihm zu Füßen, sein Blick schweift in die Ferne – oder in die Zukunft? Sie ist jedenfalls Thema seines neuen Buchs. Wir unterhalten uns während eines Spaziergangs mit Hundenachwuchs „Junior“, über den Anschober auch immer wieder in seinem Blog berichtet.
„Krone“: Herr Anschober, der Titel Ihres neuen Buchs lautet „Wie wir uns unsere Zukunft zurückholen“. Ist das nicht ein Widerspruch in sich?
Rudi Anschober: Das ist kein Widerspruch, sondern ein Bildnis. Sehr viele Menschen glauben, sie hätten keine Zukunft mehr. Sie sind resigniert und verdrängen anstehende Probleme und Krisen. Das Bildnis soll sagen: Wir haben sehr wohl eine Zukunft. Und zwar dann, wenn wir sehr konsequent gemeinsam handeln. Aber die Entscheidungen trifft die Politik.
Ja, aber wir müssen Druck aufbauen und die Politik dorthin bewegen. So wie das bei vielen Veränderungen in der Geschichte der Menschheit war. Da haben sich Menschen zusammengetan und Veränderungen durchgesetzt. Das ist ein wesentlicher Teil meines Buches. Wie wurde einst die Sklaverei abgeschafft, wie hat sich die Bürgerrechtsbewegung in den USA durchgesetzt? Wie sind große Erfolge im Umweltbereich gelungen? Das war jeweils das Engagement von ein paar Wenigen, die immer mehr geworden sind, bis sie schlussendlich eine kritische Masse überschritten haben.
Ist es ein optimistisches Buch?
Ich unterscheide zwischen Optimismus, der aus meiner Sicht eine fast naive Grundgesinnung ist, und Hoffnung. Das Buch ist sehr hoffnungsvoll und soll Menschen motivieren, nicht aufzugeben, sondern sich mit anderen zusammenzutun und dafür zu arbeiten, dass die Zukunft eine gute wird.
Nun steht ein Superwahljahr bevor, in dem den Rechten sowohl auf nationaler Ebene als auch europa- und weltweit die meisten Stimmenzuwächse vorausgesagt werden. Ist da wirklich Hoffnung angebracht?
Ich halte von diesen ganzen Prognosen und Umfragen überhaupt nichts. Wir haben in Salzburg gerade eine Wahl mit großen Überraschungen erlebt. Ich habe den Eindruck, dass die Umfrageinstitute immer mehr daneben liegen, weil sich Menschen sehr selbstständig und kurzfristig ihre Meinung bilden und diese oft auch nicht kundtun. Ich bin da viel optimistischer. Ich glaube, dass zum Beispiel die Klima- oder Corona-Leugner halt die Lauteren sind. Aber viel mehr Menschen wissen, worum es geht und warum es notwendig ist, jetzt, in diesem Jahrzehnt die Klimawende durchzusetzen. So gesehen ist jede kommende Wahl aus meiner Sicht auch eine Klimawahl.
Die Klima- oder Corona-Leugner sind halt die Lauteren. Aber viel mehr Menschen wissen, worum es geht und warum es notwendig ist, jetzt in diesem Jahrzehnt, die Klimawende durchzusetzen.
Rudi Anschober glaubt nicht an große Stimmenzuwächse der Rechten
Ihre Partei, die Grünen, erfreut sich aber nicht gerade größter Beliebtheit.
Man darf dieses Thema auch nicht auf eine Partei alleine abschieben. Das ist die Verantwortung von uns allen. Ich erwarte mir von vielen anderen Parteien auch, dass sie an einem Strang ziehen und das Notwendige tun. Nur von einer Partei, der FPÖ, erwarte ich es nicht.
Im Buch sind Sie 80 und schauen auf ein gutes Leben zurück. Wann der Moment, in dem Sie wussten, dass Sie es schreiben müssen?
Das war genau vor einem Jahr und das hat sehr viel mit meinen Vorträgen zu tun. Da sitzen in der Regel zwischen 100 und 200 Menschen, die aus ganz unterschiedlichen politischen Richtungen kommen, sehr interessierte Leute. Und wenn ich Probleme aufzeige, dann entstand sehr schnell eine resignative Stimmung im Saal. Ich habe dann im zweiten Teil immer versucht, Lösungen und Erfolgsmodelle aufzuzeigen, die es in manchen Städten schon gibt, – in Paris zum Beispiel, der große Umbau der Stadt, oder in Utrecht, die große Fahrradstadt. Da war plötzlich sehr viel Hoffnung im Raum. Und in solchen Momenten kann eine große Motivation entstehen, etwas tun zu wollen, weil man sieht, es gibt ja schon so viele Beispiele, wo es funktioniert. Ich glaube, dass wir solche Ermutigungen einfach brauchen, dass uns das guttut, weil wir aus diesem Gefühl der Ohnmacht rauskommen müssen. In dem Sinn ist es ein Buch des Mutmachens und des Hoffnunggebens.
Woran messen Sie den Erfolg des Buchs?
Dieses Buch ist dann erfolgreich, wenn ich einen Impuls geben kann, dass Menschen über eine gute Zukunft diskutieren. Viele Menschen glauben nicht mehr daran, dass das mit der Zukunft gut gehen kann. Und wenn wir uns vor dem Interview gedacht hätten, das wird eh nichts, na dann wird es auch nichts. Ich zeichne im Buch ein positives Zukunftsbild. 2040 kann in Details vieles anders aussehen. Mir geht es nur um den Impuls. Dass es in eine gute Richtung gehen kann, wenn wir richtig handeln.
Geben Politiker den Menschen zu wenig Zuversicht?
Nicht nur Politiker, wir sind generell eine Gesellschaft des Negativismus geworden. Das sieht man schon in den Medien. Only bad news are good news. Das führt dazu, dass wir das Negative überbewerten und das Positive nicht mehr sehen. Und das nimmt uns wahnsinnig viel Energie weg.
Was antworten Sie jemandem, der sagt, Sie sind ein Träumer, der unumstößlich an das Gute glaubt?
Lacht – Ich bin gerne ein Träumer und Mutmacher. Wir sollten alle wieder lernen, von einer positiven Zukunft zu träumen. Obwohl es uns klar sein muss, dass dieser Traum nur dann Wirklichkeit wird, wenn wir sehr, sehr intensiv dafür arbeiten.
Was kann der Einzelne tun?
Wir können die Klimawende leben, in unserem persönlichen, privaten Bereich. Ich bin zum Beispiel nur mit Öffis unterwegs. Auch zu den vielen Veranstaltungen in ganz Österreich. Das funktioniert. Aber die Politik muss schon auch was beitragen, weil es für Menschen, die in ländlichen Regionen leben, einfach noch immer wahnsinnig schwierig ist. Da muss ausgebaut werden, da müssen Angebote geschaffen werden. Daher gehört das persönliche Tun und das Wählen, damit die Politik auch das ihre tut, zusammen. Das sind zwei Seiten einer Medaille. Und die heißt „Veränderung“.
Veränderung macht den meisten Menschen Angst. Ihnen nicht?
Nein, weil das Leben nach der Klimawende besser wird. Das habe ich versucht, möglichst präzise darzustellen. Wie verändert sich zum Beispiel eine Stadt? Paris ist da für mich Vorbild. Dort gibt es jetzt viel mehr Schattenspender und weniger große Asphaltflächen, wo sich im Sommer die Hitze extrem ausbreitet und dadurch auch die Gesundheit von Menschen bedroht. Wir müssen aus dieser Verunsicherung rauskommen, um zu sehen, dass das kein Verzichtsprogramm ist.
Wie und wo haben Sie Ihr Buch geschrieben?
Zu Hause am Computer. Das ist ein recht schöner Platz, weil ich direkt auf einen sehr alten Lindenbaum schaue, durch ein großes Fenster. Dieser Baum hat im Buch ganz eine prominente Rolle. Am Anfang des Buchs und am Ende des Buchs – es beginnt nämlich mit meinem 80sten Geburtstag und hört auch damit auf.
Wohnen im Baum auch Tiere?
Natürlich. Wir haben viele Eichkätzchen, wir haben mehrere Raben, die dort wohnen. Es gibt auch viele andere Vögel. Der Lindenbaum ist ein paar Jahrhunderte alt und trägt leider schon ein paar Misteln. Trotzdem beschattet er eine große Fläche und genau das ist der Grund, warum wir in Zukunft die Städte wieder begrünen müssen, wir brauchen mehr Bäume. Weil wir dadurch CO₂ speichern und die Temperaturen absenken können.
Wie stark sind Sie noch bei den Grünen verankert?
Ich bin Parteimitglied, habe aber mit der Parteipolitik nach 18 Jahren in Regierungen und davor im Parlament endgültig abgeschlossen. In Summe waren das 34 Jahre. Das ist schon sehr viel an Lebenszeit, die ich in die Parteipolitik investiert habe. Jetzt bin ich ein politischer Mensch, der den Dialog interessierten Bürgerinnen und Bürgern sucht. Manchmal denke ich mir noch: Das würde ich jetzt gerne selbst entscheiden in der Politik. Aber im Großen und Ganzen erachte ich es als großes Privileg, mehr Zeit zu haben, mich mit Wissenschafterinnen zusammenzusetzen, um mit ihnen bei Fragen, die mir persönlich sehr wichtig erscheinen, in die Tiefe zu gehen. Vieles davon ist in dieses Buch eingeflossen.
Ist da auch der Gedanke, dass wenigstens der Lindenbaum die von Ihnen erhoffte Zukunft noch erlebt?
Ich hoffe auch, dass ich so lange lebe. Aber der Lindenbaum wird mich natürlich überdauern. Deshalb ist die Natur in Wirklichkeit unser wichtigster Partner. Natur und Tiere sind sozusagen unsere logischen Freunde im Prozess der Klimawende.
Sind Sie jetzt glücklich?
Ja, denn ich lebe ein völlig anderes, neues, zweites Leben. Ein Leben nach der Politik, das nicht in Frust oder in Pension endet, sondern ein Leben mit einer viel stärkeren Selbstbestimmung, bei dem ich das Gefühl habe, noch einen wesentlichen Beitrag leisten zu können.
Seine Karriere
Geboren am 21. November 1960 in Wels, erlernter Beruf: Volksschullehrer und Journalist. Politisch aktiv seit den 1980er-Jahren, am Beginn in der Anti-Atom-Bewegung, zuletzt bei der Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“. 1990 zieht er als Verkehrssprecher der Grünen in den Nationalrat, ab 1997 ist er Abgeordneter im oberösterreichischen Landtag, ab 2003 Umwelt- und Integrations-Landesrat. 2020 wurde Anschober Minister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz in der türkis-grünen Koalition, am 13. April 2021 gab er seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen bekannt. Seither arbeitet er als Autor, Vortragender und Berater. In seinem Blog anschober.at schreibt er regelmäßig auch über sein Leben mit „Junior“, einem weißen „Golden Retriever“.
Sein Buch
Anschobers Zeitreise ins Jahr 2040 ist im Brandstätter Verlag erschienen und ab dem 17. 3. in den Buchhandlungen erhältlich (208 Seiten, 25 Euro). Die Erstpräsentation geht am 24. März um 11 Uhr im Wiener Stadtsaal über die Bühne – Tickets
Wie alt möchten Sie werden?
Ich glaube, jeder Mensch will möglichst alt werden und dabei möglichst gesund bleiben. Jedes Jahr, jeder Monat, jeder Tag ist ein Geschenk, das man sehr, sehr dankbar annehmen sollte.
Was soll man einmal über Rudi Anschober sagen?
Das habe ich mir noch nicht überlegt. Vielleicht, dass er einen klitzekleinen Beitrag dazu geleistet hat, dass viele nachkommende Generationen es auch noch gut haben auf diesem wunderbaren Planeten.
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