Im Grazer Leechwald befinden sich versteckte Relikte aus der Vergangenheit: die Hügelgräber. Mitte März gab es bei der ersten archäologischen Führung zu dem Thema einen großen Ansturm. Die Archäologin Susanne Lamm erzählte der „Steirerkrone“, was die Gräber aus der Römerzeit so besonders macht.
Beim ersten Blick lassen die Hügel im Leechwald nahe des Hilmteichs nicht vermuten, dass es sich dabei um Spuren aus der römischen Zeit handelt. Die Faszination unter den Grazern für die römischen Gräber ist aber scheinbar größer als zunächst gedacht. Im März fand unter der Leitung der Stadtarchäologie und in Kooperation mit der Grätzelinitiative Margaretenbad die erste archäologische Führung zu dem Thema statt und stieß auf enormen Anklang: „Es fühlt sich fast so an, als würde man Geheimnisse erfahren, die man sonst nicht mitbekommt. Es ist spannend, wie nah an der modernen Stadt, Verborgenes aus der Vergangenheit liegt“, bekundeten Daniela und Zoe Schwarz ihr großes Interesse.
Die Faszination für geschichtliche Hintergründe trotze dem Regen
Dreißig Minuten vor Beginn der Führung füllte sich der Platz am Hilmteich, der als Treffpunkt festgelegt war, langsam aber sicher. Claudia Beiser von der Grätzelinitiative begann die „Horcherlies“, wie sie die Audioguides für die Führung liebevoll nannte, auszuteilen und scherzte, dass es nur 50 Stück gäbe, aber sich das schon ausgehen würde in Anbetracht der Regenwolken, die den Himmel immer mehr verdunkelten.
Weit gefehlt war diese Einschätzung, denn trotz des zunehmend schlechter werdenden Wetters versammelten sich immer mehr Interessierte. Etwa 120 Personen waren es schlussendlich, die einen Blick auf die Hügelgräber erhaschen und mehr über den Hintergrund erfahren wollten. Deshalb gab die Archäologin Susanne Lamm bereits vor Beginn der Führung bekannt, dass es im Spätsommer eine weitere Führung zu dem Thema geben wird.
Ein Draht zur Vergangenheit
„Die Hügelgräber im Leechwald sind eigentlich dermaßen unbekannt, obwohl sie total schön im Gelände sichtbar sind“, meint die Archäologin. Ganz so unbekannt waren sie für den ein oder anderen Besucher der Führung jedoch nicht, aber dennoch ein kleines Mysterium: „In der Schulzeit waren wir immer im Turnunterricht am Hilmteich. Ich wusste, dass es hier irgendwo die Hügelgräber gibt, aber nicht wo genau. Jetzt sehe ich sie endlich zum ersten Mal“, erzählte etwa Kathi Brexel voller Vorfreude.
Laut Susanne Lamm ist im Bereich des Leechwalds und Hilmteichs von einer landwirtschaftlichen römischen Besiedelung auszugehen. „Die Römer haben ihre Grabstätten immer in Sichtweite ihrer Gutshäuser gebaut. Meist zwei bis dreihundert Meter entfernt“, berichtet die Archäologin. Vermutlich gab es zudem eine römische Villa bei Schloss St. Martin, da sich auch dort Grabhügel befinden. Graz geht jedoch im Gegensatz zu fast allen anderen Landeshauptstädte nicht auf eine römische Gründung zurück. Dafür gab es südlicher gelegen die Stadt Flavia Solva bei Leibnitz. Abgesehen davon gab es viele Dörfer. Zum Beispiel in Bruck an der Mur oder Kalsdorf.
Münzen als Fährgabe unter der Zunge der Toten
Bei den Grabkammern in den Hügeln handelt es sich entweder um eine Grabkammer, die aus Holz gezimmert und mit Erde aufgeschüttet wurde oder um eine steinerne Kammer. Zudem gibt es noch die Variante, dass die toten Körper auf eine ebene Fläche gebettet wurden und über ihnen ein Erdhügel angeschüttet wurde, beispielsweise weil die Erde gefroren war und eine Bestattung andernfalls nicht möglich gewesen wäre. Einen Hohlraum gab es jedoch nie. In den Gräbern befinden sich meist die Überreste von ein bis zwei Personen, Kochgeschirr, Reste von Getränke- und Speisebeigaben, Öllämpchen, sowie eine Münze unter der Zunge der Verstorbenen als Fährgeld für Charon, den Fährmann.
Die Archäologin weiß, dass es seit 1900 etwas zum Volkssport wurde, Hügelgräber aufzumachen, da die Menschen davon ausgingen, dass sich Schätze in den Gräbern befinden, was jedoch nicht der Fall ist. Die Hügel im Leechwald wurden davon verschont und sollten alle noch intakt sein.
Wofür ist die Grazer Stadtarchäologie zuständig?
Erst 2021 wurde die Stadtarchäologie Graz gegründet. Sie ist Teil des Graz Museum und Anlaufstelle Nummer eins für alle Fundstücke auf städtischen Grundstücken. Ausschlaggebend für die Gründung war die große Anzahl zeitgeschichtlicher Funde, die bei den seit 2017 durchgeführten archäologischen Grabungen im ehemaligen Lager Liebenau und im ehemaligen Brauereigelände Reininghaus zutage gekommen waren und die daraus resultierende Frage, wie mit einer derartigen Menge an Massenfunden umzugehen ist.
Die Stadtarchäologie Graz ist ebenso Anlaufstelle bei Fragen zu Fundstücken auf privatem Grund bei Gartenarbeiten oder Dachbodenfunden. Es gibt eine eigens dafür eingerichtete Mail-Adresse. „Da waren bereits sehr kuriose Dinge dabei“, erzählt Lamm.
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