Eine Operette so auf die Bühne zu bringen, dass sie uns auch heute noch begeistert, ist ein Kunststück, an dem viele scheitern. Nicht so Regisseur Dirk Schmeding, der für die Grazer Oper Robert Stolz´ „Venus in Seide“ mit einem großen Besen entstaubte.
Die Operette wird trotz ambitionierter Versuche der Wiederbelebung oft totgesagt. Das gilt für die Meisterwerke der Goldenen Ära ebenso wie für diesen Nachzügler, mit dem Robert Stolz das Genre selbst schon nicht mehr wirklich ernst nahm, und der zwar viele hübsche Melodien vereint, aber wenig ernstzunehmende Handlung aufweist. Seine 1932 in Zürich uraufgeführte „Venus in Seide“ erinnert demnach auch mehr an eine schräge Nummernrevue, die einmal in Ungarn, dann wieder in Italien Station macht, und Figuren auf die Bühne bringt, die selbst in den 1930er-Jahren nur noch ein nostalgisches Klischee bedienten.
Absurde Sahnehäubchen
Regisseur Dirk Schmeding scheut diese Herausforderung nicht und setzt der ohnehin grotesk anmutenden Handlung noch einige absurde Sahnehäubchen auf, die aber bestens funktionieren. Mit seinem musikalischen Ungarisch-Kurs zeigt er exemplarisch vor, wie man mit Operetten-Nationalismus umgeht. Auch das antiquierte Frauenbild oder die Zigeunerromantik konterkariert er mit Witz. Dazu liefert er alles, was zu einem unterhaltsamen Operettenabend gehört. Umwerfende Tanzeinlagen (Choreografie: Sean Stephens), knallige Kostüme (Frank Lichtenberg), eine Bühne, die alles mitmacht (Martina Segna) – und allen voran ein fantastisches Ensemble.
Sieglinde Feldhofer zeichnet die durchaus auf ihren materiellen Vorteil bedachte Fürstin Jadja Milewska-Palotay als große Diva ebenso gekonnt wie als Rockerbraut. Auch stimmlich lässt sie keine Wünsche offen. In Matthias Koziorowski findet sie einen ebenbürtigen Partner, der sowohl als Fürst als auch als vermeintlicher Räuberhauptmann überzeugt und genug Schmelz für die Stolz-Melodien mitbringt.
Bezaubernd auch Paar Nummer zwei: Ildikó Raimondi als quirlige Komtesse Mizzi und Ivan Oreščanin als übermütiger, aber wenig mutiger Dragonerleutnant Ladislaus. Sandy Lopičić gibt den echten Räuberhauptmann mit viel Witz, rauer Schale und weichem Kern. Ferry Öllinger ist als leicht vertrottelter Baron Oroszy allzeit sympathisch und liebenswert.
Die Lacher auf seiner Seite hat zudem András Kurta als stummer Diener Mihály, auch János Mischuretz als Pfarrer und Räuber sowie István Szécsi als Vörös-bácsi gelingen viele komische Momente. Die schmachtende Geige von Mátyás András ist dann noch das Tüpfelchen auf dem I.
Musikalisch forsch
Marius Burkert jagt die Grazer Philharmoniker durch den Stolz´schen Melodienreigen, mitunter eine Spur zu forsch. Beeindruckend Chor, Tänzerinnen und Tänzer, die auch mit viel Spielfreude zugange sind.
Allen gemeinsam gelingt das Kunststück, diese „Venus in Seide“ nicht bloßzustellen, sondern durch Überzeichnung der ohnehin vorhandenen Überzeichnung eine schwungvolle, originelle und sehr operettenhafte Produktion auf die Bühne zu stellen. Dem Premierenpublikum gefiel das, großer Applaus.
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