„Mittag gegen Putin“
Massenproteste in Russland, Anschlag in Moldawien
Bei der russischen Präsidentenwahl ist es am Wochenende im In- und Ausland zu Protesten gegen die Herrschaft von Amtsinhaber Wladimir Putin gekommen. Vor Wahllokalen bildeten sich Sonntagmittag in einzelnen Städten lange Warteschlangen. Anhänger des gestorbenen Oppositionellen Alexej Nawalny hatten dazu aufgerufen, um 12.00 Uhr wählen zu gehen und damit ein unverfängliches Protestzeichen zu setzen. Das Bürgerrechtsportal OVD-Info zählte rund 50 Festnahmen.
Reuters-Reporter sahen am Sonntag an Wahllokalen in Moskau und Jekaterinburg einen leicht ansteigenden Zustrom, darunter viele jüngere Menschen. Unter den jeweils mehreren Hundert Wartenden meinten einige, sie seien dem Protestaufruf gefolgt. Die Behörden hatten vor Protestaktionen gewarnt und mit einem harten Durchgreifen gedroht. An diplomatischen Vertretungen im Ausland etwa in Kasachstan und Georgien reihten sich ebenfalls Hunderte russische Bürger zum Wählen ein.
Ausgeschlossener Nadeschdin wird bejubelt
Auch der von der Präsidentenwahl ausgeschlossene Oppositionspolitiker Boris Nadeschdin beteiligte sich an der friedlichen Protestaktion „Mittag gegen Putin“. Im Moskauer Institut für Physik und Technik, wo ein Wahllokal ist, wurde er mit großem Applaus von Studenten empfangen, wie ein von ihm am Sonntag bei Telegram veröffentlichtes Video zeigt. „Ich denke, ihr werdet noch die Chance haben, für mich zu stimmen“, sagte er den Versammelten. Er kündigte die Veröffentlichung eigener Nachwahlbefragungen nach Schließung der Wahllokale an. Deren Ergebnisse unterschieden sich stark von dem, was die Obrigkeit erwartet habe, sagte er.
Die Witwe des in russischer Haft verstorbenen Kreml-Kritikers Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, war ebenfalls bei „Mittag gegen Putin“ mit dabei – wegen großer Sicherheitsbedenken konnte sie jedoch nicht in Moskau vor Ort sein und war daher in der deutschen Hauptstadt Berlin mit zugegen. „Bild“ und „TV Rain“ veröffentlichten Videos:
Die Schlangen vor der Botschaft in Berlin erstreckte sich den Angaben zufolge über mehrere Quartale. Mindestens 2000 Menschen sollen sich angestellt haben. Vor Ort war auch der ehemalige Oligarch und frühere politische Gefangene Michail Chodorkowski:
Anschlag auf russische Botschaft in Moldawien
In der moldawischen Hauptstadt Chischinau soll ein Mann während der in der diplomatischen Vertretung stattfindenden Wahlen zwei Molotow-Cocktails zur Explosion gebracht haben, meldet die russische staatliche Nachrichtenagentur „Tass“. Der 54-Jährige sei bereits verhaftet worden. Verletzte habe es keine gegeben.
Wegen Flüssigkeit in U-Haft
An den ersten beiden Wahltagen am Freitag und Samstag war es nach Behördenangaben zu mehreren Protestaktionen und Störversuchen gekommen. In 20 Fällen hätten Personen Flüssigkeiten in Wahlurnen geschüttet, um die Stimmzettel unbrauchbar zu machen, hatte die Wahlkommission mitgeteilt. Außerdem habe es Brandstiftungsversuche gegeben. Zudem ist mittlerweile bekannt, dass eine junge Frau, die Flüssigkeit in eine Wahlurne geleert hatte, mittlerweile in U-Haft sitzt. Darüber berichtet das Exilmedium „Mediazona“. Ihr drohen nun bis zu fünf Jahre Strafkolonie.
Nawalnys Team beklagt massenhaften Betrug
Nawalnys Team beklagte massenhaften Betrug bei der Abstimmung. Die Aktion gegen Putin sollte laut dem Nawalny-Team auch zeigen, dass die Angaben zur Wahlbeteiligung auch laut vielen unabhängigen Beobachtern manipuliert sind.
Teils hatten die Behörden in Russland vor solchen Protestaktionen gewarnt und den Menschen mit Anzeigen wegen Extremismus gedroht. In den sozialen Medien veröffentlichten Wähler Stimmzettel, auf denen neben Putins Namen das Wort Mörder stand. Manche schrieben demnach auch einfach den Namen Nawalnys auf den Stimmzettel. Ein älterer Mann sagte mit Blick auf den im Februar gestorbenen Oppositionsführer: „Mein Präsident ist nicht mehr unter den Lebenden“. Nawalny ist in Moskau beerdigt.
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