Der Karawankentunnel ist nicht bloß Schauplatz von kilometerlangen Staus in den Sommermonaten. Er verbindet auch Slowenien mit Kärnten, Österreich und folglich mit der Europäischen Union wirtschaftlich und politisch. Durch die Erweiterung der Tunnelkapazität soll das Zusammenwachsen der Regionen weiter voranschreiten.
Als die ersten Pläne für den Karawankentunnel in den Siebzigern erstellt wurden, konnte sich wohl niemand in Slowenien die heutige Situation vorstellen: statt Tito-Diktatur Mitglied eines Staatenbunds bis an die Arktis. Die unabhängige Republik Slowenien und der Karawankentunnel sind gleich alt. Gut drei Wochen nach der Eröffnung am 1. Juni 1991 erklärte unser Nachbar seine Unabhängigkeit. „Früher teilte uns der Bergkamm, jetzt verbindet er uns“, erklärt Ministerpräsident Robert Golob beim Tunneldurchschlag für die Oströhre. „Wir überwinden damit Grenzen und helfen der Gesellschaft.“
Soviel Fahrzeuge sind seit der Eröffnung im Jahr 1991 durch den Karawankentunnel gefahren. Sowohl für Slowenien als auch für Kärnten ist die zweite Röhre immens wichtig.
Seit August 2020 waren in den Karawanken rund 200 Arbeiter tätig – in Schichten bis zu 20 Stunden pro Tag. Realisiert wurde das Projekt von dem türkischen Baukonzern Cengiz. „Das ist durchaus passend, schließlich lenkte ein türkischer Staatsbürger das erste Fahrzeug 1991 durch den Tunnel“, erzählt David Skornšek, Vorstand der slowenischen Autobahngesellschaft. „Nach 18 Millionen Fahrzeugen war die Erweiterung dringend notwendig. Der Fokus liegt auf dem Verbinden, der Durchschlag steht symbolisch dafür.“
Ein wenig ärgert sich unser südlicher Nachbar, dass die österreichische Seite früher fertig war. „Es wäre uns natürlich früher lieber gewesen, aber Vertragsprobleme haben zu dieser Verzögerung geführt“, gesteht Infrastrukturministerin Alenka Bratušek. Auch beim Bau selbst standen die Arbeiten vor Herausforderungen: Einmal sorgten finanzielle Probleme für einen Baustopp, einmal ein unerwarteter Wassereintritt.
Bei der Zeremonie auf der slowenischen Seite war auch Landeshauptmann Peter Kaiser vor Ort. „Der Tunnel ist ein echtes Generationenprojekt, das zum Glück bald fertig sein wird. Ob das zu einer Beruhigung des Verkehrs führt oder wie ein Magnet wirkt, wird sich erst zeigen“, zeigt sich Kaiser nachdenklich.
Sei es Ostern, Christi Himmelfahrt, Fronleichnam oder einfach nur ein Wochenende in den Monaten Juni, Juli, August: Wer aus dem Norden die Reise nach Šplit oder Krk antritt, kennt das Bild schon: Lkw und Pkw, kilometerlang aneinandergereiht, vor der Tunnelröhre. Seit der Eröffnung im Juni 1991 nutzen Hunderttausende Reisende, besonders unsere deutschen Nachbarn, jedes Jahr die direkte Route durch die Karawanken in den Süden.
Teilweise mussten schon Wasserflaschen und Malbücher für die wartenden Familien verteilt werden, damit es zu keinen Tragödien im Stau kommt. Kein Wunder, wenn in den Sommermonaten am Wochenende rund 30.000 Fahrzeuge pro Tag die Grenze nach Slowenien passieren wollen – außerhalb der Hauptreisezeit sind es immer noch rund 10.000. Im Jahr 2016 verteilte die Asfinag an acht Wochenenden im Juli und August sogar 106.000 Halbliter-Flaschen und fast 20.000 Stück „Fahrt-Unterhaltung“ für die Kleinen. Wie sehr die zweite Tunnelröhre und die Verdoppelung der Spuren für Erleichterung sorgen können, wird sich letztlich erst im Herbst 2028 zeigen.
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