Krisen, Kriege, Klimawandel: Niemand kommt an den großen Bruchlinien unserer Zeit vorbei, auch nicht Elbow. Und doch verfolgt die britische Band für ihr mittlerweile zehntes Album „Audio Vertigo“ einen anderen Weg. So gern sich Sänger Guy Garvey und Kollegen in melodramatische Landschaften suhlen, so sehr sind die zwölf neuen Songs zupackend und energetisch gelungen. Aber natürlich wird nach wie vor gern der Finger in die Wunde gelegt.
„Wir sind ruhelos“, wird Garvey von seinem Plattenlabel zitiert. „Vieles läuft falsch in unserem Land und der Welt. Aber wir haben uns dafür entschieden, nicht zu reflektieren, sondern abzulenken. Die Frustrationen sind da, aber sie wurden kanalisiert.“ Dass die Aufnahmen offenbar eine gute Zeit waren, muss er dabei nicht extra unterstreichen, man hört es den Stücken an. Wobei sich seine Bandkollegen „auf der Höhe ihres gemeinschaftlichen, bösen Musikgenies befinden“, wie es der Sänger mit der charismatischen Stimme ausdrückt – Augenzwinkern inklusive.
Freude an der Vielseitigkeit
Nun denn: Nach dem sehr kontemplativen, im Corona-Lockdown entstandenen Vorgänger „Flying Dream 1“ von 2021, ist mittlerweile der rhythmische Druck zurückgekehrt. Alex Reeves, seit 2016 allen voran als Live-Drummer für den richtigen Wumms zuständig, ist zum festen Bandmitglied aufgestiegen. Ob es daran liegt, dass beispielsweise das druckvolle „Lover‘s Leap“ oder die 80er-Verneigung „Balu“ jetzt wieder mit knackigen Beats aufwarten können, sei einmal dahingestellt. Insgesamt scheinen sich Elbow an der eigenen Vielseitigkeit zu erfreuen, die ja reduzierte Klavierminiaturen ebenso umfasst wie den fesselnden Rocksong.
Ein solcher ist beispielsweise „Good Blood Mexico City“, der sich von einer kunstvollen Gitarrenmelodie zum sommerlichen Headbanger verwandelt, während das bereits erwähnte „Lover‘s Leap“ besonders durch seinen starken Bläsersatz in Erinnerung bleibt und sich wohl zu einem Konzertfavoriten mausern könnte. Der musikalische Witz ist jedenfalls vollends zurück, wie auch die Skizze „(Where Is It)“ beweist, die uns direkt in den Proberaum entführt, wo Garvey ein kleines Gitarrenriff begeistert aufnimmt. Die Lust am gemeinsamen Spielen, sie dringt mit jeder Note aus den Boxen.
Indie-Pop richtig gedacht
Aber trotzdem: Die dunklen Wolken am Horizont werden nicht ausgespart, wenn sich jugendliche Melancholie in „Very Heaven“ ausbreitet oder Garvey in „Her To The Earth“ vom „troubeling age“ singt, in dem wir leben. Gleichzeitig sind da diese erhebenden Momente, die Elbow zu einer der größten Bands in Großbritannien werden ließen, seit sie mit „One Day Like This“ ihren großen Durchbruch feierten. Der spezielle Humor der Formation aus Manchester, er drückt sich dann wiederum in „Knife Fight“ aus, wenn von einem Messerkampf im Istanbul erzählt wird: „The fellas left together, laughing and bleeding“ heißt es da. Wo das passiert ist? In einem kleinen Cafe, „it‘s easy to find“ – man müsse nur den Gitarren und den Schreien folgen. So geht abwechslungsreicher, vielseitiger und unterhaltsamer Indie-Pop.
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