Angst vor Doppelgänger

Vater fast getötet: Sohn wird eingewiesen

Gericht
20.03.2024 18:00

Weil ein 49-jähriger Wiener dachte, sein geliebter Vater sei gegen einen Doppelgänger ausgetauscht worden, attackierte er ihn mit einem Fleischklopfer und laut Anklage auch mit einer Schere. Nicht der erste Angriff des Mannes, der an einer seltenen psychischen Erkrankung – dem Doppelgängerwahn – leidet. Das Anlassdelikt lautet Mordversuch. Vor den Geschworenen sitzt er als Betroffener. Es geht um seine Einweisung, die schlussendlich auch angeordnet wurde. 

Die Exekutive hätte in der Vorstellung des Mannes „den Unterschied zwischen dem Vater und dem Doppelgänger ermittelt und den richtigen Vater gesucht“, wie dieser einem Schwurgericht (Vorsitz: Nicole Baczak) darlegte. Er habe in weiterer Folge auf die Festnahme des falschen Vaters gehofft. Es sei ihm nur um eine „leichte Verletzung“ gegangen, betonte der 49-Jährige. 

„Ich hatte große Angst, dass der Doppelgänger mir etwas antut“, sagte der 49-Jährige in dem Prozess im Wiener Landesgericht. Er hatte mit seinem Vater in einer Wohnung in Wien zusammengelebt. Die Mutter war 2017 verstorben. 

Sohn: „Wollte ihn nur betäuben“
Während der 79-Jährige ein Frauen-Fußballspiel im TV verfolgte, spürte er plötzlich einen dumpfen Schlag. Sein Sohn hatte ihn mit einem Schnitzelklopfer aus Holz auf den Kopf geschlagen. Weil er im Wahn dachte, dass sein Vater ausgetauscht wurde. „Von wem?“, will die Richterin wissen. „Von der organisierten Kriminalität“, kommt als Antwort. „Ich wollte ihn nur betäuben, damit ich die Polizei rufen kann.“ 

„Ich war blutüberströmt“, erinnert sich das Opfer, das zudem einen Einstich mit einer Küchenschere erlitt. „Wir haben ein gutes Verhältnis. Solange er seine Medikamente nimmt, ist alles gut. Dann haben wir es lustig.“ Doch sobald der Betroffene sie absetzte, wurde er gefährlich.

Gerichtspsychiaterin Sigrun Roßmanith begutachtete den 49-jährigen Wiener. (Bild: krone.tv)
Gerichtspsychiaterin Sigrun Roßmanith begutachtete den 49-jährigen Wiener.

Die Fleischhammer-Attacke war nicht der erste Angriff. Schon zuvor war der Mann oft auffällig geworden, musste mehrfach in der Psychiatrie in Hietzing aufgenommen werden. „2021 hat er seinem Vater von hinten einen Pokal auf den Kopf geschlagen“, berichtet die Staatsanwältin. 

Der Wiener leidet laut Gutachten an einer seltenen psychischen Erkrankung: Er denkt, dass Menschen durch gefährliche Doppelgänger ausgetauscht werden. (Bild: rodjulian - stock.adobe.com)
Der Wiener leidet laut Gutachten an einer seltenen psychischen Erkrankung: Er denkt, dass Menschen durch gefährliche Doppelgänger ausgetauscht werden.

Vater: „Gut schaust aus“
Seit seiner Festnahme im vergangenen August hat der Mann, der laut Psychiaterin Sigrun Roßmanith am seltenen „Capgras-Syndrom“ - sprich Doppelgängerwahn - leidet, seinen Vater nicht mehr gesehen. Als dieser als Zeuge aufgerufen wird, gibt es ein Wiedersehen. „Gut schaust aus. Fad ist mir allein daheim“, sagt der 79-Jährige liebevoll zu jenem Menschen, der ihn mehrfach attackiert hatte. Er weiß um die schwere Krankheit seines Sohnes – der ihn immer wieder für einen Doppelgänger hält.

Sohn wird eingewiesen
Das Urteil für den 49-Jährigen gab es dann Mittwochabend: Er wird in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen. Die Unterbringung im Maßnahmenvollzug ist nicht rechtskräftig. Der laut Wahrspruch der Geschworenen infolge einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung nicht zurechnungsfähige und damit nicht schuldfähige Mann – die Laienrichter werteten dessen Tat als absichtliche schwere Körperverletzung – erbat Bedenkzeit.

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Er ist mein Kind, mein einziger Sohn. Er kocht gut. Die Soßen macht er besonders gut.

Vater als Zeuge

„Wie schaffen Sie das?“, wollte die Richterin vom Zeugen abschließend wissen, wobei sie sich auf dessen vorgerücktes Alter und die durchaus belastende Lebenssituation bezog. „Er ist mein Kind, mein einziger Sohn“, sagte der 79-Jährige. Und nach einer kurzen Pause ergänzte er: „Er kocht gut. Die Soßen macht er besonders gut.“

Wolle Sohn so bald wie möglich besuchen
Nach der Verhandlung verriet der 79-Jährige der Richterin, er habe sich „in den letzten sieben Monaten (seit der Festnahme des Sohnes, Anm.) erholt“ und „das gemacht, was ein 80-Jähriger macht. A bissl reisen, fernschauen, spazieren“. Auf seinen Sohn sei „er nicht böse“. Er werde ihn so bald wie möglich besuchen. Das war ihm aus rechtlichen Gründen bisher verwehrt, weil er als Zeuge in der Hauptverhandlung gegen den 49-Jährigen kein Besuchsrecht hatte.

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