Die Gerichts-Kiebitze haben beim Prozess um einen erstochenen Innviertler ein besonderes Auge auf den Angeklagten. Denn der 24-Jährige fühlt sich als Frau und will auch als solche behandelt, bzw. angesprochen werden. Diesem Wunsch kommen Richterin, Staatsanwältin und Anwalt nach.
Mit Spannung wurde erwartet, wie die Richterin den Angeklagten beim Prozess im Schwurgerichtssaal in Ried anspricht, der lieber eine Frau wäre und „Vanessa“ genannt werden möchte. Laut Anklage ist der 24-jährige Slowake biologisch eindeutig ein Mann und wird auch als solcher angeklagt – und zwar wegen Mordes.
Zum Prozess erschien der Angeklagte, der von allen auf Wunsch „Vanessa“ genannt wird, in dunkler Kleidung, einem Kapuzenpulli und einer schwarzen Hose – „Vanessa“ ist leicht geschminkt und hat die in Strähnen gefärbten Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Bei Prozessbeginn zitterten die Hände merklich.
Auch Einweisung beantragt
Der. bzw. die Angeklagte soll am 5. Oktober 2023 in Geretsberg als Pfleger einen 82-jährigen Schützling mit mehreren Messerstichen getötet haben. Dann rief er die Stieftochter und ließ sich festnehmen. Als Motiv gibt der Trans-Pfleger an, vom Senior gehänselt und betatscht worden zu sein. Staatsanwältin Petra Stranzinger sieht dies als Schutzbehauptung, „das Opfer wusste nichts von der Transsexualität“ und forderte neben der Verurteilung eine Einweisung in eine forensische Anstalt, da „Vanessa“ laut Gutachten in die zweithöchste Gefährdungsgruppe falle und die Rückfallwahrscheinlichkeit bei 76 Prozent binnen sieben Jahren liege.
Vollrausch und Psychopharmaka
Laut Gutachterin Adelheid Kastner ist der Angeklagte zurechnungsfähig, aber gefährlich aufgrund einer „kombinierten Persönlichkeitsstörung“. Diese Erkrankung und auch die 3,4 Promille Alkohol samt Psychopharmaka („Benzos“) im Blut während der Tat seien aber kein Grund für eine Schuldunfähigkeit. Dem widersprach der Anwalt Josef Wimmer, der vor allem aufgrund der Krankheitsgeschichte (Borderline-Syndrom) und des Alkoholmissbrauchs durchaus eine Schuldunfähigkeit sieht. Unterlagen über das Borderline-Syndrom und behauptete Klinikaufenthalte gibt es allerdings nicht.
„Sie suchte ein Ventil“
Bei der Einvernahme bekennt sich „Vanessa“ schuldig, berichtet von einer schweren Kindheit – Scheidung der Eltern –, einer toxischen Ehe und daher beginnender Alkoholsucht und schweren psychischen Problemen. Laut Anwalt habe das spätere Opfer, das „Vanessa“ immer „Opa“ nannte, vermutlich durch dessen Geschwister erfahren, dass „Vanessa“ keine Frau ist und habe ihn/sie am Tattag gehänselt und begrapscht, zuvor hatte es aber Streit wegen verweigerter Schokolade und Bier und einem nicht aufgeladenen Rasierer gegeben.
Dann kam noch ein Streit am Telefon mit dem Freund in der Slowakei dazu, außerdem habe „Vanessa“ am Tattag ihre Medikamente nicht genommen. „Sie suchte ein Ventil, und das war der bedauernswerte Franz Sch.“, sagt die Staatsanwältin. An die Stiche – es waren mehr als zehn mit zumindest zwei Messern – könne sich „Vanessa“ nicht erinnern. „Aber an alles andere am Tag schon?“, fragte die Richterin nach. „Weil ich zu diesem Zeitpunkt Alkohol getrunken hatte“, so der/die Angeklagte, die während des Prozesses „Opa“ übrigens als „den Alten“ tituliert.
Der Geschworenenprozess ist für den ganzen Tag anberaumt. Das Strafmaß für den Mordvorwurf reicht bis 20 Jahre oder sogar lebenslange Haft. Bis zum rechtskräftigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung.
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