Österreich schert aus

Ukraine-Linie des Kanzlers sorgt in EU für Kritik

Ausland
22.03.2024 17:22

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat auf dem EU-Gipfel klargemacht, dass er russisches Vermögen lieber zum Wiederaufbau der Ukraine verwenden würde als für Waffenkäufe. Dafür muss Österreich auf internationaler Bühne heftige Kritik einstecken. Zudem wurde bekannt, dass österreichische Diplomaten auch in anderer Sache Druck auf Kiew machen.

Nehammer will die Ukraine „unterstützen“. Das hat er am Donnerstag vor Reportern mitgeteilt. Bei der Frage nach dem Wie, steht der Kanzler auf internationaler Bühne aber relativ einsam da – und dann auch noch neben Querulanten wie Putin-Freund Viktor Orbán. Denn Nehammer sieht das Vorhaben, mit Zinsgewinnen aus beschlagnahmtem russischen Vermögen Waffen für die Ukraine zu kaufen, skeptisch.

Gewinne in „etwas Gutes“ stecken
„Nach österreichischer Vorstellung soll viel in den Wiederaufbau investiert werden“, erklärte der Kanzler. Die Position der Neutralen sei klar: „Man muss den Staat Ukraine unterstützen, damit er weiterbestehen kann.“ Die Gewinne sollen aber in „etwas Gutes“ gesteckt werden. 

Russische Goldader

  • Der Westen hat fast die Hälfte der Moskauer Währungsreserven im Ausland eingefroren.
  • Rund 200 Milliarden Euro liegen in der EU. Vor allem bei Euroclear, einem Finanzinstitut in Brüssel.
  • Das Unternehmen nimmt beispielsweise durch Zinszahlungen auf Anleihen und Erlösen aus getätigten Aktiengeschäften hohe Summen ein.
  • Seit Kriegsbeginn sollen sich Zinsgewinne in Höhe von 5,2 Milliarden Euro angehäuft haben. Diese will die EU nun für die Ukraine abschöpfen.

Das internationale Echo reicht von Verwunderung bis Empörung. Die Republik, die noch immer Milliarden für russisches Gas an den Kreml überweist, wird dabei erneut heftig angegriffen und beispielsweise von rumänischer Seite als „Oblast Österreich“ verunglimpft.

Kritik an Nehammer übte auch der ukrainische Diaspora-Verein „Mrija“. Die Organisation fragte, ob der Bundeskanzler auf der Seite der Ukraine oder des „Terrorstaat Russland“ stehe. „Es ist bereits die Zeit, endgültige Entscheidungen zu treffen.“

Belgien findet Nehammer-Vorschlag „bisschen sinnlos“
Der belgische Premierminister Alexander De Croo, dessen Land derzeit den rotierenden EU-Ratsvorsitz innehat, versuchte es weniger brachial: „Natürlich würde ich gerne in den Wiederaufbau investieren, aber es ist ein bisschen sinnlos, in den Wiederaufbau zu investieren, wenn man riskiert, das Land zu verlieren.“

Aus dem Kanzleramt hieß es gegenüber krone.at, dass Nehammer seiner Linie treu bleibe. Seine Aussagen ließen keinen Interpretationsspielraum zu. Österreich werde sich an Waffenlieferungen nicht beteiligen. Jetzt gelte es, auf EU-Ebene die rechtlichen Rahmenbedingungen zu prüfen und auszuarbeiten.

Ein erster Entwurf, wie „Geldscheine in Waffen“ umgetauscht werden sollen, existiert bereits. Skeptikern wie Nehammer soll dabei entgegenkommen werden. Die Gewinne aus dem beschlagnahmten russischem Vermögen sollen aufgeteilt und in unterschiedliche Geldtöpfe geleitet werden. So wird neutralen Staaten wie Österreich die Chance gegeben, ihr Gesicht zu wahren.

Karl Nehammer (ÖVP) wirkt auf EU-Ebene immer isolierter. (Bild: AFP)
Karl Nehammer (ÖVP) wirkt auf EU-Ebene immer isolierter.

Wer liefert, hat Zugriff auf Geldtopf
90 Prozent der Zinsgewinne sollen in die Friedensfazilität fließen. Diesen Spezialfonds nutzen viele EU-Länder bereits, um sich die Kosten für Waffen und Munition erstatten zu lassen, die sie versenden. Die restlichen zehn Prozent sollen laut Plan in den EU-Haushalt gesteckt werden. Dadurch soll Russen-Geld in den Wiederaufbau der Ukraine fließen.

Länder wie Österreich oder Ungarn können somit behaupten, nicht von russischem Vermögen zu profitieren. Denn wer Kiew keine Waffen schickt, bekommt auch keine Ausgleichszahlungen aus dem Sonderfonds.

Die EU-Pläne sind mit rechtlichen Risiken behaftet. Es besteht die Möglichkeit, dass das Geld nach dem Krieg zurückgegeben werden muss, wenn Russland rechtliche Schritte einleitet. Kritiker des Vorhabens haben die Sorge, dass der Ruf der EU als sicherer Hafen für Investoren dadurch beschädigt werden könnte.

Wien macht Druck auf Kiew
In einer anderen Sache sollen Österreichs Diplomaten aber aktiv gegen Kiew arbeiten. Die Ukraine könnte bald auf ihre Schwarze Liste verzichten, auf der Firmen als „Sponsoren des Kriegs“ angeprangert werden.

Seite an Seite mit Ungarn? (Bild: AFP)
Seite an Seite mit Ungarn?

Grund sei Druck aus mehreren Staaten, wie die Nachrichtenagentur Reuters von zwei mit dem Vorgang vertrauten Personen erfuhr. „Es ist China, aber nicht nur China“, sagte eine von ihnen. Die andere erklärte, Österreich, Frankreich, Ungarn und China hätten alle auf Kiew eingewirkt. Die Liste könne innerhalb von Tagen aus dem Internet verschwinden.

Ukraine stört sich an RBI-Stillstand
Für die Liste mit etwa 50 Unternehmen gibt es keine juristische Grundlage – sie hat jedoch enorme symbolische Bedeutung. Denn wer will schon Geschäfte mit einem „Kriegssponsor“ machen? Den dort aufgeführten Firmen wird vorgeworfen, in Russland weiter aktiv zu sein und etwa durch das Zahlen von Steuern den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu fördern.

Der Ukraine ist das Russland-Geschäft der österreichischen Raiffeisen Bank International (RBI) ein Dorn im Auge. Im vergangenen Frühjahr wurde die Bank auf die Liste der Kriegssponsoren gesetzt. Kiew begründete die Auflistung der RBI mit deren Aktivitäten in Russland. Zudem wurde darauf verwiesen, dass es keine Fortschritte bezüglich eines Verkaufs der Tochterbank gibt.

Die RBI hat noch keinen Weg gefunden, die Milliarden-Profite aus Russland nach Österreich zu bringen. Aufgrund westlicher Sanktionen hat die Bank keinen Zugriff auf ihre Gewinne. Das sei der Hauptgrund für den bisherigen Verbleib, behaupten Kritiker.

RBI als „Putins Geldautomat“
Es sei nicht das erste Mal, dass Österreich in der Causa aktiv geworden sei. EU-Diplomaten hatten im Vorfeld des Beschlusses des zwölften Sanktionspakets gegen Russland gesagt, dass sich die österreichische Bundesregierung bereits damals für die RBI bei Kiew starkgemacht habe. Offiziell bestätigt wurde das nicht.

Fakt ist, die Ukraine hat die österreichische Bank wieder von ihrer Schwarzliste entfernt. Zur Wahrheit gehört auch, dass die RBI in EU-Kreisen einen wenig schmeichelhaften Spitznamen hat: „Putins Geldautomat!“

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