"Allsehendes Auge"

Neuartige Software zur Überwachung von New York

Digital
10.08.2012 13:16
Die New Yorker Polizei hat vor wenigen Tagen eine neuartige Überwachungssoftware in Betrieb genommen. Mit dem umstrittenen System, das den Namen Domain Awareness System (DAS) trägt, sollen unter anderem Daten zu möglichen Verdächtigen umgehend zur Verfügung gestellt werden. Mit bisher rund 3.000 Kameras vor allem in Manhattan habe das System das Potenzial, die Polizeiarbeit zu "revolutionieren", erklärte das Bürgermeisteramt. Doch das "allsehende Auge" stößt auf heftige Kritik von Bürgern und Datenschützern.

DAS klingt wie Science Fiction und lässt Erinnerungen an George Orwells Klassiker "1984" und das ominöse Programm, das Batman in "The Dark Knight" einsetzt, um den Joker aufzuspüren, wach werden. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg (Bild) erklärte am Mittwoch, das System basiere auf neuartiger Software, die es den Ermittlern erlaube, schneller auf relevante Informationen aus Kameras, Notrufen, Kriminalitätsregistern und anderen Daten zuzugreifen. DAS nutzt dazu Tausende von Überwachungskameras der New Yorker Polizei und von privaten Unternehmen.

Den Angaben zufolge liefert das System zusätzlich zu den Aufnahmen der Kameras in Echtzeit zahlreiche Informationen zu den jeweiligen Verdächtigen. So würden umgehend Angaben zum Vorstrafenregister mutmaßlicher Krimineller sowie zu verwandten Straftaten in der Gegend angezeigt. Außerdem sollen die Bewegungen verdächtiger Fahrzeuge über Monate zurückverfolgt werden können. Beim Fund verdächtiger Gegenstände sollen die Aufnahmen so weit zurückgespult werden können, dass feststellbar ist, wer sie abgelegt hat.

New York kassiert bei Microsoft-Einnahmen mit
Die Technologie wurde als gemeinsames Projekt vom Software-Riesen Microsoft und der New Yorker Polizei entwickelt. Nach dem Willen der Erfinder soll die Überwachungssoftware künftig auch in anderen Metropolen der USA - und im Rest der Welt - zum Einsatz kommen. New York wird dabei kräftig mitschneiden: Laut Vereinbarung mit Microsoft fließen 30 Prozent der Einnahmen aus jedem zukünftigen Verkauf in die Kassen der Stadt.

Bedenken von Datenschützern wollte Bürgermeister Bloomberg bei der Präsentation vom Tisch wischen: DAS werde nur zur Überwachung von öffentlichen Bereichen und Tätigkeiten, bei denen keine "gesetzlich geschützte Aussicht auf Privatsphäre" existiere, zum Einsatz gebracht, betonte er. Gesichtserkennungssoftware komme zudem nicht zum Einsatz. Den öffentlichen Sicherheits- und Datenschutzrichtlinien folgend, werde Videomaterial 30 Tage lang, Metadaten wie etwa Kfz-Kennzeichen für fünf Jahre und "Umweltdaten" in Zusammenhang mit terroristischen Bedrohungen auf unbestimmte Zeit gespeichert und archiviert, so der Bürgermeister weiter.

Experten befürchten Datenmissbrauch
Experten sind trotzdem besorgt. Peter Eckersley, Technologie-Projektleiter bei der Datenschutz-Organisation Electronic Frontier Foundation, befürchtet etwa gegenüber dem Technik-Portal "CNET", dass das System von den Beamten zur Bestimmung des Aufenthaltsorts von Bürgern ohne gültigen Haftbefehl missbraucht werden könnte. "Es braucht eine Menge Chuzpe von Microsoft und der New Yorker Polizei, um von Ortsdaten, die mit Kfz-Kennzeichen-Erkennungssoftware und Überwachungskameras ermittelt werden, als 'Daten der öffentlichen Sicherheit' zu sprechen", so der Experte. "Die Chronologie der Orte, die wir mit unseren Autos anfahren, ist privat, und Aufzeichnungen dazu würden intime Tatsachen über Religion, Politik, Sexualität und Gesundheit der Fahrer offenbaren", ist Eckersley überzeugt.

Um etwaigen Missbrauch zu vermeiden, kündigte die Stadtverwaltung an, das DAS-System in regelmäßigen Abständen prüfen zu lassen - diese Prüfung wird jedoch polizeiintern von der Abteilung für Terrorismusbekämpfung durchgeführt, kritisieren Rechtsexperten und Datenschützer. Sie fordern eine Prüfung der Überwachungssoftware durch eine unabhängige Instanz.

"New York heißt Big Brother willkommen"
Auch die Bürger von New York sehen das "allsehende Auge" mit kritischem Blick: "New York heißt Big Brother willkommen" und "Privatsphäre ist in New York dank Bloomberg und Microsoft gestorben", zitierte die Technologie-Website "Mashable" Online-Postings besorgter Stadtbewohner.

"In der Ära von George W. Bush versprach Admiral Poindexter die Schaffung eines "Total Information Awareness"-Programms, um Amerika mit einer Schicht allgegenwärtiger High-Tech-Überwachung zu überziehen. Aber es scheint, dass es letztlich Microsoft und der New Yorker Polizei bedurfte, um dieser Vision Leben einzuhauchen", bringt Experte Eckersley die Kritik auf den Punkt. Batman hatte in "The Dark Knight" immerhin eine Art "Todesschalter" für seine bedenkliche Überwachungsmaschinerie.

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