„Psychogramm eines Hochstaplers“: Das deutsche Nachrichtenmagazin „Spiegel“ geht der Frage nach, wie Signa-Gründer René Benko mit seiner Luxus-Inszenierung über all die Jahre selbst honorige Unternehmerpersönlichkeiten einkochen konnte.
Das Signa-Konglomerat ist insolvent, sein Schöpfer bankrott. René Benkos Privatkonkurs als Unternehmer hat auch einen persönlichen „Striptease“ zur Folge. Nun sei er auf die Hilfe seiner Mutter angewiesen und verfüge nur mehr über ein karges Vermögen, berichtet die „TT“. Aktuell will der Mann, der 2019 von Signa noch 26 Millionen bezog, als Beschäftigter zweier Firmen lediglich 3700 Euro pro Monat verdienen.
Wie konnte Benko mit luftigen Versprechungen ein Luftschloss aus mehr als 1000 Gesellschaften errichten? Wie konnte der beim dubiosen Finanzvertrieb AWD ausgebildete Verkäufer Europas Geldadel einkochen? Wie hat er es geschafft, diesem Milliardärs-Zirkel auch in den Zeiten des einsetzenden Niedergangs noch die Legende von der bedeutendsten Immobiliengruppe Europas auftischen? Diesen Fragen geht der „Spiegel“ nach, der das „Psychogramm eines Hochstaplers“ zeichnet.
„Eine Art Bruderschaft gebaut“
Benko habe schon vor vielen Jahren „stets zum Teuersten, Besten“ gegriffen, „wenn es jemanden zu beeindrucken gilt“, notiert das Magazin. „2014 eröffnet sein Fünfsternehotel Park Hyatt in Wien, er holt Sterneköche in sein Chalet N am Arlberg, serviert edlen Rotwein aus Italien, auch mal zu 4000 Euro die Flasche. ,Man trägt gern jemandem sein Geld nach, der ein Gewinnertyp ist‘, sagt ein gewichtiger Immobilieninvestor. Benko habe sich ,so eine Art Bruderschaft‘ gebaut.“
Dazu kamen Büros im noblen Palais Harrach sowie ein geschäftlich genutztes Penthouse im Berliner Upper West. „Zwei Etagen, rund acht Meter Raumhöhe. Weiße Marmortische, goldfarbig durchwirkte Böden, das riesige runde Bett unter einem deckenhohen Baldachin“, heißt es im „Spiegel“. Ein Insider, der vor etwa einem Jahr dort zu Gast war, berichtet der „Krone“: „Grob geschätzt 2000 Quadratmeter. Es gab Studios für Leibwächter, eigene Wellnesstudios für Gäste. Das war so irrsinnig. So obszön. Ich habe mir damals gedacht: Jetzt hat er den Bezug zur Realität verloren.“
„Die Gier der anderen erspürt“
Benko habe die „Gier der anderen erspürt“, zitiert der „Spiegel“ einen ehemaligen Weggefährten. Wenn der Immobilienspekulant „potenzielle Investoren bezirzt, lädt er gerne auf seine Jacht vor Nizza, Anreise per Heli oder mit dem Privatjet. Ist jemand passionierter Skifahrer, offeriert Benko das Chalet N, sein Privathotel in den Alpen, das nur auf Anfrage öffnet. ,Dann gab es die geilsten Skilehrer, die schönsten Zimmer, den teuersten Wein‘, sagt einer, dem dieses Vergnügen zuteilwurde. Den Autobaron Robert Peugeot nimmt Benko mit zur Jagd nach Tirol. Der schätzt das. Und investiert anschließend kräftig.“
Lange habe man dem jungen Benko „das neureiche Gehabe“ gegönnt, berichtet ein Investor dem Magazin. Er sei fleißig gewesen, hungrig, übereifrig. „Riesen Klappe. Aber super Deals und seine schnelle Auffassungsgabe.“ Dass er manchmal über das Ziel hinaus schoss, habe man ihm nachgesehen: „Alles sah perfekt aus.“
Inszenierung als Schwerstarbeiter
Auch deshalb, weil Benko es bis kurz vor dem Untergang geschafft hat, seine hochkarätigen Investoren wie Klaus Michael Kühne, der mit einem Privatvermögen von rund 40 Milliarden Euro als reichster Deutscher gilt, Fressnapf-Gründer Torsten Toeller oder Robert Peugeot oftmals in Vieraugengesprächen von den nur auf seinen Papieren glänzenden Signa-Zahlen zu überzeugen. „Die Männer halten still, weil sie sich kannten. Logistikmilliardär Kühne etwa lässt bei seinem Benko-Einstieg ruhig schlafen, dass kurz zuvor Autodynast Peugeot investiert hatte. Als Toeller einmal entnervt aussteigen will, hält ihn wiederum der Einstieg von Kühne“, heißt es im „Spiegel“. Benko habe sich gegenüber seinen Investoren „als Schwerstarbeiter inszeniert, der ab vier, fünf Uhr früh am Schreibtisch sitze, bis spät in die Nacht E-Mails, SMS versende, oft am Wochenende, aus dem Urlaub.“
Dazu kommt laut „Krone“-Recherchen der Umstand, dass Benko laut einem langjährigen Insider „mit fast jedem Investor einen Privatdeal“ gehabt habe: „Jeder hat gedacht, er habe den besseren Deal als der Nachbar neben ihm.“ Und so formierten sie sich erst, als der Untergang unausweichlich war.
Kein Krisenmanager
Woran ist Benko – neben einer offensichtlichen Großmannssucht - gescheitert? Laut „Spiegel“ hält ein Investor fest, dass der Zahlenjongleur es nicht gewohnt sei, „Krisen zu managen“ – er habe dann „emotional bis unlogisch“ reagiert, dabei hätte er einen kühlen Kopf gebraucht. Benkos Zustand sei dem Geldgeber schon Monate vor dem großen Crash „schlecht“ vorgekommen, er habe „verzweifelt, allein“ gewirkt. Und am Ende seien „alle anderen Schuld“ gewesen.
Anfang der Nullerjahre war der Mitte Zwanzigjährige in Wien noch ganz anders aufgetreten. Im geliehen roten Ferrari und mit Versace-Anzug habe er vor zwei Immobilieninvestoren im vom Unternehmer Georg Stumpf hochgezogenen Millenium-Tower, dem damals höchsten Gebäude der Stadt (202 Meter), eine große Show abgezogen, schreibt das Magazin. Benko soll gesagt haben: „Grüß‘ euch. Was kostet der Turm? Ich kaufe ihn.“
Milliardenangebot von Stumpf
Zwanzig Jahre später bekommt Benko offenbar die Rechnung für seinen Hochmut präsentiert. Laut „Krone“-Informationen hat die Unternehmensgruppe des erfolgreichen Turmbauers Georg Stumpf kürzlich ein Angebot für das auf den Markt geworfene Signa-Prime-Paket (Goldenes Quartier, Park Hyatt, Verfassungsgerichtshof, Kaufhaus Tyrol) gelegt. Die Größenordnung: eine Milliarde Euro. Eine Antwort des Insolvenzverwalters steht dem Vernehmen nach noch aus.
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