Ein Sommerkleid um 6,95 Euro, ein Armreif um 57 Cent: Mit unglaublichen Schnäppchenpreisen und einer gigantischen Auswahl überschwemmt der chinesische Modekonzern Shein den Markt. Frankreich will Shein und andere Billiganbieter künftig mit Strafgebühren belegen. Der Vorwurf: Fast-Fashion beute Näherinnen aus und schade mit dem minderwertigen Wegwerfgewand aus Kunstfaser der Umwelt.
Das Shein-Sortiment umfasste vergangenes Jahr 1,5 Millionen verschiedene Teile, wie der Modeexperten Sheng Lu von der US-Universität Delaware herausfand. Die spanische Fast-Fashion-Marke Zara brachte es nur auf 40.000 Produkte.
Normalerweise ist eine solche Vielfalt mit enormen Risiken und Produktionskosten verbunden. „Shein bekommt das nur hin, weil sie extrem flexibel sind und nur sehr wenig Ausschuss in ihren Lagern haben“, sagt Rui Ma, Expertin für chinesische Unternehmen und Gründerin des Newsletters Tech Buzz China.
„Wir testen und produzieren neue Produkte in kleinen Anfangsmengen von 100 bis 200 Stück“, erklärte Shein dazu auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP. „Dadurch sammeln wir Kundenfeedback in Echtzeit und bestellen nur die Produkte nach, die unsere Kunden wirklich wollen.“ So werde Überproduktion vermieden.
Shein spart auch beim Design. Das Unternehmen wertet die Suchdaten der Nutzer aus und spürt Trends in den sozialen Medien auf, um Modelle zu entwerfen, die sich so gut wie sicher verkaufen. Oft scheint Shein auch einfach Entwürfe anderer Marken zu kopieren, wie die vielen Klagen wegen Urheberrechtsverletzungen nahelegen.
Dick im Geschäft
2022 erzielte Shein laut Wall Street Journal einen Umsatz von 23 Milliarden Dollar (rund 21 Milliarden. Euro) und einen Nettogewinn von 800 Millionen Dollar. Vor zwei Jahren verlegte der 2008 gegründete Online-Händler seinen Hauptsitz von China nach Singapur, um so Analysten zufolge der zunehmend umfassenden Kontrolle der chinesischen Behörden zu entgehen.
Dennoch profitiert das Unternehmen von der einzigartigen Kombination aus einer riesigen, kostengünstigen Textilindustrie und hochentwickelter E-Commerce-Technologie samt Logistiknetzwerken in der Volksrepublik. „Theoretisch könnte Bangladesch wahrscheinlich Kleidungsstücke sogar noch billiger verkaufen als Shein. Dort gibt es jedoch nicht wie in China das System, um sie zu vermarkten und ins Ausland zu verkaufen“, sagt Allison Malmsten, China-Expertin bei der Beratungsfirma Daxue Consulting in Peking.
Straff organisiert
Die On-Demand-Strategie von Shein funktioniert nur mit einer straff organisierten Lieferkette mit mehr als 5000 Produzenten. Chinesischen Medien berichten von Stadtteilen voller kleiner Werkstätten, die für Shein nähen. Wer nicht schnell genug liefere, werde aussortiert, heißt es.
Die Kritik, sein Geschäftsmodell basiere auf Ausbeutung und Umweltzerstörung, versucht Shein zu entkräften. Regelmäßige Prüfungen durch Dritte garantierten faire Löhne, erklärt das Unternehmen. Außerdem vermeide die an der Nachfrage orientierte Produktion Müll.
Omnipräsent
Trotz des schlechten Rufs von Fast-Fashion hat Shein viele Fans. Sie führen an, dass das Unternehmen Mode auch für Menschen mit kleinem Budget erschwinglich mache, vor allem in Übergrößen. Der Online-Händler kultiviert dieses Image, indem er Influencer mit Geld und Klamotten für Werbung bezahlt. Verbraucher würden regelrecht damit bombardiert, sagt Analystin Malmsten. „Überall, wo man online hinschaut, sieht man Shein-Produkte.“
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