„Kenne Putin gut“
Ex-EU-Kommissionspräsident fürchtet „großen Krieg“
Der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnt angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine davor, „dass man nur noch über Waffen redet“. Er fürchte „großen Krieg“, denn er „kenne Putin gut“.
Europa befinde sich „in einer Vorkriegsstimmung, weil mich manche rhetorischen Einlassungen an die Rhetorik des Kalten Krieges erinnern. Man redet nur noch über Waffen“, sagte Juncker im Interview mit der „Kleinen Zeitung“. Er hoffe, dass die Kriegsrhetorik nicht zum „großen Krieg“ führe.
„Kenne Putin gut“
Gleichzeitig erklärte Juncker, dass es nicht das Verschulden Europas sei, sondern „dem massiven Fehlverhalten“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin geschuldet sei. Er kenne Putin gut, berichtete Juncker. „Wahrscheinlich gehöre ich zu den Europäern, die am längsten und intimsten mit ihm geredet haben. Ich habe mit ihm stundenlange, auch nächtliche Gespräche in deutscher Sprache geführt, ohne Zutun von Diplomaten oder Dolmetscher. Ich habe ihn also richtig auf dem Grill gehabt. Und er mich.“ Nun sei er „sehr enttäuscht“.
Putin darf nicht gewinnen
Nicht verzeihen könne er sich, dass er seinen „ost- und mitteleuropäischen Freunden, wenn sie vor russischen Übergriffen in ihrem Teil Europas gewarnt haben, zwar mein Ohr geschenkt“ habe, „es aber sofort wieder verschlossen habe“. Er habe gedacht, dass sie sich fundamental irren. „Aber ich habe mich fundamental geirrt“, so der ehemalige Luxemburger Premier.
Die Frage, ob Putin den Krieg nicht gewinnen dürfe, beantwortete Jucker mit „Ja, weil er (Putin, Anm.) noch handgreiflicher werden würde“. Das setze voraus, dass die Westeuropäer und die Altantiker die Ukraine tatkräftig unterstützen. „Ich bin ja kein Kriegstreiber in dem Sinne, dass ich mir wünsche, dass nur die Waffen reden. Ich bin schon der Meinung, dass man hinter der Waffenfront auch andere Formate suchen muss, um diesen Krieg zu beenden. Aber es darf zu keinem russisch dominierten Diktatfrieden kommen. Das muss verhindert werden.“
Dass der französische Präsident Emmanuel Macron über die Entsendung von Truppen auf ukrainischem Boden spreche, habe ihn „überrascht, aber nicht entsetzt. Dem wohnt ja auch eine wohlüberlegte Strategie inne, die besagt, dass man einem sich als Gegner gebärdenden Widersacher nicht sagen sollte, wo die eigenen roten Linien verlaufen. Insoferne lege ich das ab in der Rubrik taktischer Bewegungen“, sagte Juncker, der sich erneut für ein europäisches Heer aussprach. Aber das sei „kein einfaches Ding. Das Denken in Europa ist national geblieben. Es muss europäisch werden.“
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