Der Entführungsfall um den bekannten Wiener Wirtschaftsanwalt wird immer spektakulärer. Mit einem Paukenschlag gelang es Fahndern des Landes- und Bundeskriminalamtes gemeinsam mit russischen Sondereinheiten, die beiden mutmaßlichen Kidnapper des Anwalts in Moskau zu stellen. Die Polizisten hatten bereits seit dem Verschwinden des 48-Jährigen eng zusammengearbeitet.
Schweigen im Verhör
"Wir konnten die beiden Verbrecher identifizieren und beschatten", erklärte Manfred Reinthaler, Pressechef der Wiener Polizei, am Dienstagabend gegenüber der "Krone". Obwohl die russischen Behörden wohl mit eher strengen Verhörmethoden vorgehen, hat das brutale Russenduo bislang geschwiegen.
Indessen werden Rebassos Familie und Freunde in der Heimat auf eine harte Probe gestellt. Speziell die vielen Gerüchte um das Vorleben Rebassos und die Spekulationen rund um Tatmotive setzen ihnen zu. Vor allem, wenn ein Gratisblatt die Ermittlungen womöglich gefährdet und im schlimmsten Fall gar mit dem Leben des verschwundenen Wirtschaftsanwaltes spielt.
"Schlimm genug, keine Gewissheit zu haben"
Bruder Michael Rebasso: "Es ist schon schlimm genug, dass wir keine Gewissheit darüber haben, ob er noch lebt. Aber dann muss man auch noch zusehen, dass es den Journalisten dieses bunten Blattes offenbar völlig egal ist, ob sie mit Veröffentlichungen von sensiblen Informationen eventuell Erichs Leben auf dem Gewissen haben."
Konkret geht es um die Schlagzeile zu einer per E-Mail eingegangenen Lösegeldforderung. "Es gab diese Forderung. Aber sie führte nicht zum Vermissten. Diese Art der Berichterstattung ist geeignet, das Leben eines Entführten ernsthaft zu gefährden", so Polizeisprecher Roman Hahslinger. Nun mussten die Fahnder offenbar völlig übereilt zuschlagen, um den letzten Kontakt zu den Kidnappern nicht doch noch zu verlieren.
Kommentar: Darf eine Story einen Menschen gefährden?
Wie weit darf Berichterstattung gehen? Wo endet Verantwortung - und wo beginnt Skrupellosigkeit im Verein mit der Gier nach der schnellen Schlagzeile? Auch wenn es im schlimmsten Fall ein Menschenleben kosten kann? Die Antwort, liebe Leserinnen und Leser, fand sich am Dienstag im Gratisblatt "Österreich". Der sogenannte "Fall Rebasso" - jener Wirtschaftsanwalt aus Wien also, der entführt wurde und sich womöglich immer noch in Händen russischer Verbrecher befindet.
Der "Krone" war seit eineinhalb Wochen bekannt, dass es Lösegeldforderungen an die Familie des Opfers gibt. Erst am Montag kam nach neuerlicher Anfrage bei der Polizei der eindringliche, fast händeringende Appell: "Bitte keine Zeile, das kann Erich Rebasso gefährden. Wir hoffen, glauben auch, dass er noch lebt."
Keine Frage. Also keine Story über Lösegeld. Auch wenn Journalisten immer die Grenzen ausloten sollen und sich dabei oft bis an die Ränder des Vertretbaren bewegen - darüber hinaus darf es nicht gehen. Darüber hinaus hieße hier, das Leben Erich Rebassos zu gefährden.
Und dann? Das Gratisblatt prescht genau mit dieser Meldung voran. Weil es sich damit so wunderbar (und wenn möglich "exklusiv") auf den Markt hinausschreien lässt. Um welchen Preis?
Und besonders mutig wird es dann, wenn Geschichten namentlich nicht gekennzeichnet sind. Das Kalkül dahinter? So ist niemand persönlich haftbar. Als ließe sich die Verantwortung für das Leben einer Geisel in die Anonymität abschieben, an eine höhere Instanz, mit der man nichts zu tun hat. So einfach geht das. Und schon steht die Schlagzeile. Und morgen aufs Neue. The show must go on.
Bleibt nur zu hoffen, dass es für Familie Rebasso doch noch ein Happy End gibt. Und dass keiner der werten Kollegen sich ein böses Ende an die eigenen Fahnen heften muss. Für diese eine Schlagzeile. Ist die Gesinnung der Berichterstattung erst einmal so billig wie die Aufmachung, ja dann, liebe Kollegen, dann gute Nacht.
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