Das Debakel der Spitalsschließung trifft die Teams des Lorenz-Böhler-Krankenhauses in Wien nun mit voller Wucht. Interne Chats zeigen das Tohuwabohu: keine Informationen, keine Anweisungen, dafür Rat- und Mutlosigkeit. Nicht zuletzt bedeuten die geschilderten Zustände Gefahr für Patienten.
Vom Lorenz-Böhler-Spital in Wien ist nur noch notdürftiger Ambulanzbetrieb übrig. „Es darf halt niemand kommen, der etwas Ernstes hat“, meint Unfallchirurg Heinz Brenner grimmig nach dem ersten Dienst im ausgeweideten Spital. In der Nacht musste er einen Buben mit einem komplizierten Beinbruch versorgen. Er hätte gern einen Anästhesisten an seiner Seite gewusst. So mussten die beruhigenden Worte der Mutter des Buben reichen.
Kein Anästhesist weit und breit
In der Ambulanz will man sich gar nicht ausmalen, was ohne einen einzigen verbliebenen Anästhesisten im Spital geschehen kann. Oft kämen Menschen nach Stürzen ins Spital, erzählen Mitarbeiter. Innerhalb von Minuten könne sich der Zustand bis zur Bewusstlosigkeit verschlechtern, und es brauche Narkoseärzte für lebenserhaltende Maßnahmen. Weil er keine andere Wahl hatte, improvisierte sich Brenner durch die ersten 24 Stunden nach der Spitalsschließung. Dieses Schicksal teilt er mit allen aus dem Team.
Ohne klare Anweisungen sind die Böhler-Teams seit der Spitalsschließung vor allem auf private Chats untereinander angewiesen, um an Informationen darüber zu kommen, wo und wie sie für Patienten da sein können – oder auch einfach, um ihrer Wut und ihrer Verzweiflung ein Ventil zu verschaffen. Die Chat-Kanäle der Böhlerianer explodieren seit Dienstag mit Meldungen wie „Das ist Chaos pur“, „Es passt hinten und vorne nix!“ oder „Eine Schweinerei ist das Ganze – und nur Prügel für uns“.
Keine Einschulung für unbekannte Geräte
Teams, die nach Meidling geschickt wurden, berichten von fehlenden Sauerstoffanschlüssen auf „ihrer“ Station und davon, dass sie ungewohnte medizinische Geräte ohne jede Einschulung bedienen sollen: „Es gibt null Infos, wie das alles funktionieren soll!“ Dass ein Aufkleber in Meidling sie als „Lorenz Böhler“ ausweist, kostet sie nur einen zynischen Lacher (siehe Faksimile oben). Zu dritt müssen sie sich dort einen Spind teilen und um Parkmöglichkeiten oder Öffi-Tickets betteln.
„Ich mag nimmer“
Viele von ihnen sind am Ende: „Ich mag nimmer“, schreibt ein Team-Mitglied, „wir Kleinen wurschteln, weil sich oben niemand etwas überlegt hat“ ein anderes, „Ich seh mir das jetzt mal an. Wenn die vielen offenen Fragen nicht beantwortet werden, werde ich mir was anderes suchen“ ein drittes.
Eine Krankenschwester (siehe oben) denkt vor allem daran, wie „schlimm für Patienten“ die Lage werden kann. Dass sie nach 33 Jahren Dienst im Böhler-Spital kein weiteres Mal auf die Glocke eines Patienten reagieren und ihm helfen kann, habe sie „gebrochen“. Eine Kollegin von ihr fasst die letzten Wochen für sich zusammen: „... unfassbar und völlig realitätsfremd, dieses Chaos ... so ein tolles Krankenhaus zugrunde richten ... einfach nur traurig und fassungslos. Mir tut das so weh.“
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