Zugleich mit der tiefgreifenden Überarbeitung des Taycan hat Porsche ein neues Topmodell eingeführt: den Taycan Turbo GT. Der leistet – wenn auch nur zwei Sekunden lang – mehr als 1100 PS. In seiner trackorientierten, voll eskalierten Version wird er vollends zum Tycoon der Rennstrecke. „Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl war damit auf dem Circuito Monteblanco nahe Sevilla unterwegs.
Gerade mal zwei Sekunden liegt nach dem Start mit Launch Control die volle Leistung von 815 kW/1108 PS an, doch einen Lidschlag danach passiert der Taycan GT auch schon die 100-km/h-Marke. Und es geht acht Sekunden lang weiter mit 760 kW/1034 PS und 1340 Nm. Da kommt dann auch schon bald die 300er-Marke in Sichtweite.
Aber dieses Leistungs- und Tempobolzen auf der Geraden ist nicht das, worum es bei Porsches Überstromer geht, deshalb spart man sich auch Spielereien am Display, wie sie beim jüngst auf der Nordschleife deklassierten Tesla Model S Plaid zu finden sind.
Der Leistungsbaukasten
Trotzdem müssen wir erst einmal über den Antrieb und seine Leistung aufklären, das ist hier nämlich alles nicht so einfach und hat bei der Präsentation für einige Verwirrung unter den Journalisten gesorgt. Porsche unterscheidet beim Taycan grundsätzlich drei Leistungsstufen: die generell verfügbare Leistung, die per Knopfdruck oder Zug am Hebel abrufbare Leistung sowie die Overboost-Leistung mit Launch Control aus dem Stand. Beim Turbo GT kommt noch die Peak-Leistung oben drauf.
Konkret heißt das hier Folgendes: Prinzipiell hat der Turbo GT im normalen Betrieb 580 kW/789 PS, also 10 kW mehr als der neue Turbo S. Ruft man während der Fahrt per Lenkradpaddle den Attack Mode auf, hat man für zehn Sekunden 700 kW/952 PS. Mit Launch Control hat man für zehn Sekunden 760 kW/1034 PS. Steht der Akku unter 90 Prozent, ist das das Maximum. Ist er besser gefüllt, stehen für die ersten zwei dieser zehn Sekunden zusätzliche 55 kW zur Verfügung – das macht dann insgesamt 815 kW/1108 PS.
Hat der Zehn-Sekunden-Counter auf null heruntergezählt, braucht der Taycan nur vier Sekunden Verschnaufpause, bevor man den Attack Mode erneut zünden kann.
Zum Vergleich: Der Turbo S hat normalerweise 570 kW/775 PS, mit Push-to-Pass (das entspricht dem Attack Mode) hat sind es 640 kW/870 PS und mit Launch Control feuert er sich mit 700 kW/952 PS gen Horizont. Das entspricht der Leistung des Turbo GT im Attack Mode. Während der normalen Fahrt hat der GT also gerade mal 10 kW mehr als der S, im scharfen Modus aber 60 kW/82 PS mehr. Alles klar? Hier eine kleine Übersicht:
Arg und ärger
Zwei Varianten stehen zur Wahl: der blanke Taycan Turbo GT und der Taycan Turbo GT mit Weissach-Paket. Der Antrieb ist bei beiden der gleiche. Auch der Preis ist derselbe. Aber: Die Fahrleistungen unterscheiden sich. Mit dem Paket schafft der GT den Sprint auf 100/200 in 2,2 bzw. 6,4 Sekunden und läuft 305 km/h, ohne fehlen ihm ein bzw. zwei Zehntel und 15 km/h.
Denn: Mit Weissach-Paket ist der GT ein Leichtbau-Tracktool samt feststehendem Heckflügel. Mit einem DIN-Gewicht von 2220 kg bringt er 70 kg weniger auf die Waage als ohne Weissach-Paket und 75 kg weniger als der Turbo S. Dafür muss man u.a. auf die Rücksitze verzichten, die durch eine Carbon-Abdeckung mit integrierter Ablage ersetzt werden.
Außerdem auf die analoge Uhr des Sport-Chrono-Pakets sowie Fußmatten und etwas Dämmmaterial. Es gibt auch nur eine Ladeklappe auf der Fahrerseite, und die ist manuell zu öffnen. Abstriche muss man auch bei der Soundanlage wie auch bei den Matrix-Scheinwerfern (Top-Variante nicht erhältlich) machen.
Generell findet man Carbon beim GT in den B-Säulen-Blenden, den Außenspiegelgehäusen, den Einlegern in den Seitenschwellern, sowie in den CfK-Vollschalensitzen.
Der auffälligste Unterschied ist wohl der feststehende Heckflügel, der beim Weissach-Paket den beweglichen Flügel mit aufgesetztem Gurney ersetzt. Der allein bringt 140 kg Abtrieb bei 305 km/h, was sich mit den 80 kg an der Vorderachse zu 220 kg Gesamtabtrieb summiert.
Lohn der Mühe ist Top-Rennstreckenpotential, das den Weissach-GT auf der Nordschleife (7:07:55 Minuten) zum schnellsten Serien-Elektroauto und zum schnellsten Viertürer unabhängig von der Antriebsart macht. Jüngst hat er auch in Laguna Seca mit 1:27:87 Minuten eine Stromrekordzeit erzielt.
Rennstreckenfahrt im GT in Monteblanco
Auf dem Circuito Monteblanco im Süden Spaniens, wo Porsche den neuen Taycan präsentierte, konnten wir im Topmodell einige Rennstreckenrunden drehen. Nicht auf Zeit, aber dafür auf Emotion. Die kommt bei Elektroautos normalweise zu kurz. Porsche hilft mit (abschaltbarem) Antriebssound nach und der Taycan GT befeuert die Adrenalin- und Endorphin-Produktion zudem mit beeindruckenden Längs- und Querbeschleunigungswerten.
Die eigens für dieses Fahrzeug abgestimmten Pirelli P Zero R bieten besten Grip und das im GT serienmäßige Porsche-Active-Ride-Fahrwerk spielt seine Stärken voll aus. Es besteht aus einer Luftfederung und aktiv ansteuerbaren Adaptiv-Dämpfern, deren jeweils zwei Ventile elektrohydraulisch mit Druck versehen werden. Dadurch werden nicht nur Bodenunebenheiten maximal kompensiert, das ganze Fahrzeug wird auch in jedem Fahrzustand waagrecht gehalten und kann sich darüber hinaus aktiv in Kurven hineinlegen, ähnlich einem Boot oder einem Hubschrauber.
Auch der GT schafft beim Bremsen bis zu 400 kW Rekuperationsleistung. Auf der Strecke kommen aber natürlich vor allem auch die serienmäßigen Carbon-Keramikbremsen (vorn 420-Millimeter-Scheiben mit Zehnkolben-Festsätteln) zum Einsatz. Die verzögern massiv und mit gutem Pedalgefühl, werden aber nach einiger Zeit der vollen Beanspruchung etwas weich, sodass es durchaus zu Kontakt zwischen Fußsohle und Boden kommt. Da verlangen gut 2,3 Tonnen inklusive Fahrer wohl ihren Tribut. An tatsächlicher Bremsleistung dürfte es aber nicht mangeln.
Völlig tadellos – wie man das von Porsche gewohnt ist – arbeitet die Lenkung, die jeden Fahrzustand in bester Auflösung ins Fahrerhirn übersetzt.
Topleistung auch im Akku
Gut, dass Porsche auch den Akku des Taycan grundlegend verbessert hat. Die im Turbo GT eingebaute Version speichert brutto 105 Kilowattstunden, netto sind 97 kWh verfügbar. Die WLTP-Reichweite geben die Zuffenhausener mit bis zu 554 Kilometer an, den Verbrauch mit rund 21 kWh auf 100 Kilometer. Wie weit genau der Turbo GT im Renntempo kommt, konnten wir nicht erfahren. Nur so viel: Auf zwei Runden (von Boxengasse zu Boxengasse) sank der SoC von 94 auf 83 Prozent, eine Runde ist 4,43 km lang.
Preis und Fahrzit
243.982 Euro muss einem der volle Spaß im Turbo GT wert sein, gleichermaßen mit oder ohne Weissach-Paket. Da müssen schon alle Hemmungen fallen, denn der Turbo S kostet satte 30.000 Euro weniger. Und mit 2,4 Sekunden sprintet er zwar ein Zehntel langsamer auf 100 als der GT, aber immerhin vier Zehntel schneller als sein Vorgänger. Aber in diesen Preisregionen geht es vielleicht nicht um Vernunftentscheidungen, sondern einfach um das maximal Mögliche. Und das ist mit dem Porsche Taycan Turbo GT erreicht. Zumindest vorläufig.
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