„Krone“-Interview

Terror: „Bei uns gab es früher sehr viel Gewalt“

Musik
31.03.2024 09:00

Für Metal- und Hardcore-Fans sind die Impericon Festivals eine langjährige Institution. Am 7. April machen Bands wie As I Lay Dying, Nasty oder Terror in der Wiener Simm City Station. Letztere gelten als eine der kompromisslosesten und umstrittensten Bands des Hardcore-Genres. Frontmann Scott Vogel gab uns im „Krone“-Talk tiefere Einblicke.

(Bild: kmm)

Als Scott Vogel mit einer Handvoll Gleichgesinnten 2002 die Band Terror ins Leben rief, war er schon fast 30 und hatte einige Jahre Erfahrung in der Szene gesammelt. Seine neue Band erspielte sich mit den ersten Alben „Lowest Of The Low“ (2003), „One With The Underdogs“ (2004) und „Always The Hard Way“ (2006) früh einen Szene-Kultstatus, bis das fünfte Werk „Keepers Of The Faith“ (2010) die Band auch szeneübergreifend bekannt machte. Neben den teils sehr aggressiven, zwischen Zwischenmenschlichkeit und Politik mäandernden Texten, sorgten bei Terror vor allem Attitüde und Show für Staunen. Das in Los Angeles gegründete Kollektiv galt jahrelang als aggressivste Band der Szene. Immer wieder wurden Konzerte abgebrochen oder gestoppt, diverse Bandmitglieder waren schwer illuminiert und zettelten selbst Stress an.

Mit knapp über 50 und einer deutlich veränderten Lebensweise blickt Frontmann Vogel heute mit gemischten Gefühlen auf diese Zeit zurück. Einerseits waren die Skandale und Skandälchen mitentscheidend dafür, dass Terror zu einer der besten und gefürchtetsten Bands im Hardcore wurden, andererseits hätte man mit einer etwas vernünftigeren Zugangsweise wohl auch noch etwas mehr Staub im Musikbusiness aufwirbeln können. Auch wenn die letzten musikalischen Großtaten länger zurückliegen und Vogel und Co. schon zu den „Elder Statesmen“ der Szene gehören, live macht ihnen noch immer niemand etwas vor. Wie man mit steigendem Alter noch immer so furios konzertiert und weshalb der Szene-Kodex sich im Großen und Ganzen nicht verändert hat, das erzählt uns Vogel im durchaus persönlichen Interview.

„Krone“: Scott, als Frontmann von Terror prägst du seit mehr als zwei Jahrzehnten die Hardcore-Szene, aber du tourst auch gerne mit Thrash-Metal-Bands oder hast zum Beispiel Guest Vocals bei Cannibal Corpse eingesungen. Stilgrenzen sind dir fremd?
Scott Vogel:
 Ich bin in Buffalo, New York aufgewachsen und die Death-Metal-Szene dort war immens groß. Die meisten Menschen glauben, dass Cannibal Corpse aus Florida wären, aber gegründet hat sich die Band in Buffalo. Es gab schon früh viele Death Metal- und Hardcore-Bands, die zusammen aufgetreten sind. Ich bin jetzt ehrlich gesagt nicht der allergrößte Death-Metal-Fan, aber ich liebe die schiere Kraft und Verrücktheit, die damit einhergeht. Wir haben auch mal mit Cannibal Corpse und The Black Dahlia Murder getourt, waren für ein paar Shows mit Obituary unterwegs. Das ist auch für uns eine große Ehre und macht uns viel Spaß.

Ist es dir aber auch ein persönliches Anliegen, mit Bands aus anderen Genres aufzutreten? Große Metal-Festivals zu spielen und aus dem üblichen Trott herauszuragen?
Wir sind als Band lange genug unterwegs, um das zu tun, was wir tun wollen. Viele Menschen mögen uns, viele auch nicht – es ist absolut okay so. Wir wollen neue Menschen treffen und neue Fans gewinnen. Das funktioniert aber nur, wenn man sich aus den üblichen Kreisen hinausbewegt.

Mittlerweile stehen 22 Jahre Terror zu Buche, dazwischen gab es viele Hochs und auch ein paar markante Tiefs. Erinnerst du dich heute noch an die frühen Tage zurück, als ihr die Band ins Leben gerufen habt?
Ich kann seit einiger Zeit von der Musik leben, aber unsere Langlebigkeit würde ich der Tatsache verdanken, dass wir niemals wirklich groß wurden. Wir haben uns ein Standing erarbeitet und treue Fans, aber sind nie in die erste Liga des Genres aufgestiegen. So konnten wir auch nie abheben, sondern blieben immer bescheiden. Uns war stets egal, ob wir Headliner sind oder nicht. Es ist mir auch egal, wenn jüngere Bands, die gerade einen Hype haben, einen besseren Slot spielen als wir. Unsere Egos sind im Rahmen und wir arbeiten einfach weiter. Manchmal reichen 100 Leute mit einfachen Verstärkern ohne große Bühne – das können sogar die besten Konzerte sein.

Je älter du selbst wirst, umso fitter wirkst du auf der Bühne. Wie geht sich das aus?
(lacht) Man kennt mich als jemanden, der keinem Drink und keiner Party abgeneigt war, aber diese Muster habe ich schon länger hinter mir gelassen. Wenn ich heute einen Schluck Wein trinke, dann merke ich das sofort. Früher hätte ich für dieselbe Wirkung eine Flasche Wodka trinken müssen. Ich bin heute 51 und muss besser auf mich achten. Ich mache Yoga und versuche, so viel wie möglich in der Natur zu spazieren. Das ist eigentlich ausreichend, wenn man diszipliniert ist.

Hardcore ist mehr ein Lifestyle als eine Musikrichtung. Lebst du heute noch nach denselben Grundsätzen und ethischen Mustern wie früher? 
Wir sind derzeit fast permanent auf Tour, weil man nur so finanziell überleben kann, das ist natürlich anstrengend und manchmal habe ich die Schnauze voll. Mit 51 aus einer Tasche zu leben und dauernd von anderen Menschen umgeben zu sein, kann ordentlich nerven. Das Mindset ist aber noch immer dasselbe. Hardcore ist für mich eine Lebenseinstellung und die Grundprinzipien daraus werden mich nie verlassen.

Du sagst es ja selbst – eigentlich muss eine Band wie Terror touren, ansonsten müsstest du wohl einen normalen Job annehmen und dein Leben verändern.
Wir müssen sicher öfter spielen als wir möchten, aber zumindest das Zeitmanagement kriegen wir meist gut hin. 2023 waren wir etwa so unterwegs, dass wir fast fünf Monate am Stück freihatten, was uns natürlich sehr viel Zeit freispielt. Üblicherweise ist man einen Monat unterwegs, einen daheim und das Ganze wieder von vorne. In großen Blöcken macht es aber mehr Spaß.

Was machst du eigentlich, wenn du nicht mit Terror auf der Bühne oder im Studio stehst?
Ich bevorzuge eine Art Winterschlaf zu halten und mich auszuruhen. Ansonsten siehst du mich auf Konzerten, Eishockey- oder Baseball-Spielen, weil ich ein riesengroßer Sport-Fan bin. Auf Tour ist man so oft von Menschen umgeben, dass ich daheim so wenig wie möglich mit anderen unternehme. Ich verbringe viel Zeit mit meiner Freundin und gehe auf lange Spaziergänge. Manchmal gehe ich auch alleine ins Kino, das macht mir überhaupt nichts aus. Ich ziehe mich zu Hause gerne in meine Höhle zurück.

Du hattest nicht die einfachste Kindheit und in älteren Interviews öfters erwähnt, dass der Hardcore dein Leben gerettet hätte. Ist dir diese Musik noch immer so wichtig wie damals?
Ich kenne sehr viele Menschen aus der Szene und sehr viele davon haben tolle Talente und Fähigkeiten, die man selbst oft in Anspruch nehmen kann. Es gibt Barber-Shops, Tätowierer, Mechaniker, Klempner, Installateure – man hilft sich gegenseitig wo immer es geht. Wenn ich jemanden brauche, dann rufe ich jemanden aus der Hardcore-Szene an. Wenn ich mit Leuten in Kontakt bin, ist es zumeist jemand aus der Welt der Musik. Wir sind eine große Familie, die sich gegenseitig unterstützt. Die Community ist längst über die Musik hinausgewachsen, weil sich viele in anderen Geschäftsbereichen verdingen. Auch deshalb, weil man von der Musik allein oft nur schwer leben kann. Wenn ich irgendwo auf der Welt einen Schlafplatz brauche oder meinen Reisepass verliere, werde ich Hardcore-Kids finden, die mir helfen. Das ist die Magie dieser Szene.

Wirtschaftlich gesehen gibt es wahrscheinlich sicherere Bereiche, als Sänger einer Hardcore-Band zu sein. Hat dir das abseits der Musik an sich auch mal Sorgen bereitet?
Wir hatten recht viel Glück. Ich bin nicht reich, aber ich kann mir freinehmen, wann immer ich will und fahre ein ziemlich cooles Auto. Im Hardcore ist es ein Tabu, über Geld und Einnahmen zu sprechen und selbst wenn ich viel Geld verdienen würde, würde ich das herunterspielen. (lacht) Ich habe keine Millionen Dollar am Konto, aber ich kann reisen, wohin ich möchte, kann mir mein Auto erhalten und mir die Dinge besorgen, die mir wichtig sind. Ich lebe ein ziemlich unauffälliges Leben und habe keine teuren Hobbys. Aber gut, ich spiele pro Jahr mehrere Tourneen in Europa und ein paar junge Kids in Buffalo, die gerade mit der Musik durchstarten, würden mir sicher empfehlen, meine verdammte, privilegierte Fresse zu halten. (lacht)

Ist Hardcore für dich auch Wettbewerb? Etwa den jungen Kids gegenüber, die naturgemäß am Thron der Alten sägen und selbst die großen Tourneen abstauben wollen.
Ganz ohne Wettbewerb geht es nicht. Ich sehe es aber eher so, dass die Kids uns jung halten. Wenn du mit jüngeren Bands auf Tour bist, dann lebst du unweigerlich in der Gegenwart und bist nicht in der Vergangenheit festgefahren, was vielen Menschen immer wieder passiert. Ich weiß, dass wir vor 14 Jahren mit „Keepers Of The Faith“ unser wichtigstes Album veröffentlicht haben, aber wir wollen zeitgemäß und giftig bleiben und uns nicht dauernd wiederholen. Die Jungen zeigen mir, dass der Hardcore noch immer lebt und das alleine ist sehr wichtig.

Lebst du eigentlich noch in Los Angeles?
Nein, direkt nach Einbruch der Pandemie bin ich zurück in den Osten nach Buffalo. Ich lebte etwa 30 Jahre in Buffalo und war nun knapp 20 Jahre in Los Angeles, bevor ich wieder zurückging. Die letzten fünf Jahre habe ich darüber nachgedacht, wieder zurückzuziehen, aber es war nie Zeit dafür. Die Pandemie hat die Welt angehalten und ich habe die Zeit genützt, um diesen Schritt endlich zu setzen. Ich bin unheimlich glücklich darüber.

Ein Leben wie deines zu führen hat viele Vor-, aber auch einige Nachteile. Welche Opfer musst du als Berufsmusiker einer eher kleineren Band bringen?
Ich habe einige Geburtstage, Hochzeiten und Begräbnisse verpasst. Es ist sehr hart, wenn wichtige Menschen in deinem Leben wichtige Momente haben, du aber gerade auf einem anderen Kontinent unterwegs bist, weil es dein Job ist. Das stößt auch bei anderen nicht immer auf Verständnis, aber dieses Opfer musst du bringen. Es ist alternativlos. Früher war meine Einstellung dazu aber viel extremer. Es ging mir nur um Terror. Mit steigendem Alter sehe ich die Dinge entspannter. Wenn jemandem in der Band ein Ereignis in der Familie oder dem engsten Freundeskreis besonders wichtig ist, dann werden wir zumindest versuchen, eine Show oder Tour dabei zu vermeiden. Auch wenn es nicht immer klappen wird.

Mit dir und Drummer Nick Jett sind bei Terror nach 22 Jahren noch zwei Gründungsmitglieder mit an Bord. Den Posten am Bass habt ihr dafür gefühlt 20 Mal getauscht. Wie wichtig sind mit steigendem Alter in einer solchen Band eigentlich Begriffe wie Freundschaft oder Kameradschaft?
Wir haben einige wilde Jahre in der Band überstanden, wo viel gesoffen wurde und bei den Konzerten brutale Gewalt herrschte. Heute sind wir aber alle sehr entspannt. Es gibt kaum Streit mehr, jeder will für den anderen nur das Beste. Mittlerweile haben wir in der Band Musiker, die Häuser gekauft und Kinder bekommen haben. Das war vor 15-20 Jahren alles noch völlig unvorstellbar. Nick und ich hatten auch Momente, wo wir uns nicht einmal ansehen konnten, aber das ist völlig vorbei. Mit dem Alter kam sehr viel Ruhe rein und das ist auch ein Grund, warum wir als Band noch immer leben.

Gab es einen bestimmten Moment, wo ihr euch zusammengerissen und verändert habt? War es irgendwann einfach notwendig?
Zwischen 2005 und 2015 waren wir wohl an der Spitze unserer Verrücktheit. Da gab es wirklich wilde Exzesse, unglaubliche Streitereien und Dinge, auf die man im Nachhinein nicht stolz ist. Aber wir haben uns an der Nase genommen und sind seit etwa neun Jahren deutlich entspannter und auch viel netter zu uns.

Ich erinnere mich an ein Konzert im burgenländischen Oberwart, lange ist es her, wo es im Moshpit so wild zuging, dass ihr fast das Konzert abgebrochen hättet …
Wir hatten auch Konzerte, wo ich so besoffen war, dass ich nach den ersten drei Songs in den Backstage ging und sagte, der Abend ist für heute vorbei. Ich hatte mich so weggeschossen, war so voller Wut, dass ich keine Lust mehr hatte, auf die Bühne zu gehen. Es gab unheimlich viel Gewalt und ich war ein Mensch voller Probleme. Darüber möchte ich aber gar nicht mehr sprechen, das sind Dinge aus einer anderen Ära.

Bist du auf dem besten Weg, eine Art Mick Jagger des Hardcore zu werden? Wie lange kannst du als Ü-50-Jähriger noch so auf der Bühne wirbeln?
Ich sehe mich mehr als David Lee Roth denn als Mick Jagger. Ich bin 51, fühle mich körperlich und geistig sehr gesund und stabil. Zudem habe ich das Trinken minimiert und achte sehr auf mich. Insofern hoffe ich, dass ich noch einige Jahre durchhalte. Aber klar, jeden Tag tut sich irgendwo ein neuer Schmerz auf. Solange die Energie passt, die Leute uns sehen wollen und ich noch springen und singen kann, werden wir weitermachen. Außerdem geht es uns auch immer um das nächste Album.

Terror live in Wien
Am 7. April findet das diesjährige Impericon Festival in der Wiener Simm City statt. Mit am Start sind neben Terror Bands wie As I Lay Dying, Nasty oder Future Palace. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten und alle weiteren Informationen zum Konzerthighlight.

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