Samt Hightech-Geräten

Diese Männer entschärften die Bombe in Kalsdorf

Steiermark
31.03.2024 18:01

Am Freitagabend wurde vor der Tür der Zeugen Jehovas in Kalsdorf ein verdächtiges Paket deponiert. Einen Tag später die schockierende Gewissheit: In dem Paket war eine Bombe versteckt. Die beiden zuständigen Entschärfer zeigen, wie sie den Sprengkörper vor dem Explodieren bergen konnten.

Bombenalarm am Freitagabend bei den Zeugen Jehovas in Kalsdorf: Ein etwa 50x12x12 Zentimeter großes Paket wurde im Eingangsbereich der Glaubensgemeinschaft gefunden. Sofort kamen Erinnerung an den letzten Sommer hoch – denn vor einem knappen Jahr explodierten zwei an Autos angebrachte Bomben während einer Gebetsstunde.

Kurzerhand wurden das Areal am Freitag großflächig abgesperrt und etwa 50 Bewohner evakuiert. Sprengstoff-Experten und Spürhunde kamen an den Ort des Geschehens – sie hielten die vermeintliche Bombe für verdächtig echt. Also wurde auch der Entschärfungsdienst vom Grazer Außenstandort der Cobra angefordert, samt Hightech-Robotern.

Einer fürs Grobe und einer fürs Feine
Vor zwei der besagten Robotern steht am Sonntagnachmittag der verantwortliche Entschärfer Richard Binder. „Einer ist mehr der Feinmotoriker und einer ist der Typ fürs Grobe“, erklärt er. Intern würde man sie auch „Max“ und „Theo“ nennen. „Unsere Roboter kommen sehr oft zum Einsatz, weil wir zum Selbstschutz immer vom Schlimmsten ausgehen.“ 

Richard Binder hat 18 Jahre Erfahrung im Beruf. (Bild: Christian Jauschowetz)
Richard Binder hat 18 Jahre Erfahrung im Beruf.

So auch an diesem Freitag: Als sie spätabends alarmiert wurden, fuhren sie an den Rand der Sperrzone. Binder und sein Kollege setzten sich hinter das Steuer im sicheren Polizeiwagen, während sich die Roboter auf das Gebetshaus zubewegten. „Meine Aufgabe war es, das Paket zu entschärfen, aber ich habe mich vorerst für die Evakuierung entschieden“, erzählt Binder. Soll heißen: Die beiden Entschärfungsgeräte brachten den verdächtigen Gegenstand zu einem speziellen Lkw. Dort wurde das Paket in eine hochsichere Kugel, ein sogenanntes Sprengunterdrückungssystem, gelegt.

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Wenn ich Sorgen oder Ängste hätte, würde ich sofort meine Uniform ablegen. Auch meiner Frau erzähle ich nur, wo ich hinfahre, mehr nicht.

Richard Binder, Entschärfungsdienst der Direktion für Spezialeinheiten

Somit war vorerst die Gefahr gebannt, die Bewohner konnten aufatmen. Ob das ein Routineeinsatz für Binder war? „Wenn ich Sorgen oder Ängste hätte, würde ich sofort meine Uniform ablegen“, sagt der erfahrene Experte. Immerhin macht er diesen Job nun seit 18 Jahren. „Auch meiner Frau erzähle ich nur, wo ich hinfahre, mehr nicht.“

Binder: „Ich bin kein Hellseher“
Nicht immer können die Geräte den Entschärfern die gefährliche Arbeit abnehmen, „oft muss man auch mit der Hand ran“, sagt Binder. Dann kommt ein 40 Kilogramm schwerer Schutzanzug zum Einsatz. Dieser soll im Ernstfall helfen, wenn auch die Hände zum Arbeiten unbedeckt bleiben müssen. Binder weiß: „Ich bin kein Hellseher, Entschärfungen können immer schiefgehen.“

Er zeigt sich froh, dass er beim Einsatz in Kalsdorf nicht selbst zupacken musste – wenn auch die Steuerung der Roboter gelernt sein muss. „Man muss drei bis vier Monate anlernen, um sie bedienen zu können“, erklärt Binder, „aber dann können sie zu 60 Prozent eine Hand ersetzen.“ Ausgestattet mit Kameras, Röntgengeräten oder Winkelschleifern können die Geräte sogar eine Explosion überleben. Auch bei atomarer Belastung werden sie eingesetzt.

„Theo“ ist der Roboter fürs „Grobe“. (Bild: Christian Jauschowetz)
„Theo“ ist der Roboter fürs „Grobe“.

Über den Stand der Ermittlungen gibt sich Binder am Ostersonntag bedeckt: „Wir haben die Bombe schon zerlegt, aber wollen aus taktischen Gründen nichts Genaueres dazu sagen.“ Auch über mögliche Täter weiß man noch nichts. „Wir haben schon einige Befragungen durchgeführt, aber die Untersuchungen brauchen bestimmt Tage“, sagt Polizeisprecher Markus Lamb.

Polizei weiterhin in Alarmbereitschaft
Die Ermittler hoffen immer noch, dass Anrainer oder Passanten verdächtige Personen mit einem Paket nahe des Königreichssaals in Kalsdorf gesehen haben. Lamb appelliert: „Bei Beobachtungen nicht zögern, wir sind über jeden Hinweis dankbar.“ Doch auch beim Anschlag im Sommer 2023 konnten keine Täter ausfindig gemacht werden.

Polizeisprecher Markus Lamb bittet um Hinweise aus der Bevölkerung. (Bild: Christian Jauschowetz)
Polizeisprecher Markus Lamb bittet um Hinweise aus der Bevölkerung.

Zusätzlich warnt die Polizei vor möglichen Folgetaten im Umfeld der Zeugen Jehovas. „Unsere Schutzmaßnahmen sind intensiviert worden und bleiben bis auf Weiteres aufrecht“, sagt Lamb. Streifen seien vermehrt unterwegs, zu den Mitgliedern der Zeugen Jehovas habe man persönlichen Kontakt.

Sämtliche Gottesdienste sollen dennoch wie geplant abgehalten werden, heißt es von der Glaubensgemeinschaft. Markus Kakavis, Sprecher der Zeugen Jehovas, sagt: „Wir als Glaubensgemeinschaft sind vor allem froh, dass niemand zu Schaden gekommen ist und sind dankbar, dass die Polizei das so ernst nimmt. Wir betreiben jetzt Seelsorge bei allen Betroffenen unserer Glaubensgemeinschaft.“

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