Israel gesteht Fehler

Militärchef: Tote Helfer waren „keine Absicht“

Ausland
03.04.2024 08:05

Nach einem Angriff im Gazastreifen, bei dem sieben Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen getötet wurden, hat Israels Generalstabschef Herzi Halevi Fehler eingestanden. „Der Angriff wurde nicht in der Absicht durchgeführt, den WCK-Helfern zu schaden“, erklärte er. US-Präsident Joe Biden übte indes scharfe Kritik. „Das ist kein Einzelfall“, mahnte er.

„Es war ein Fehler, der auf eine falsche Identifizierung folgte – in der Nacht in einem Krieg unter sehr komplexen Bedingungen. Das hätte nicht passieren dürfen“, sagte Halevi in der Nacht auf Mittwoch in einer Videostellungnahme. „Dieser Vorfall war ein schwerer Fehler“, sagte er. Das habe eine vorläufige Untersuchung ergeben. Nähere Einzelheiten nannte er nicht.

(Bild: Associated Press)

Israel verspricht, aus Vorfall zu lernen
Ein unabhängiges Gremium werde den Vorfall gründlich untersuchen und „in den nächsten Tagen abschließen“, fuhr der israelische Generalstabschef weiter fort. Die Armee werde aus den Schlussfolgerungen lernen „und sie sofort umsetzen“, sagte Halevi. Die Armee nehme „aus tiefstem Herzen“ Anteil an der Trauer der Angehörigen und der Hilfsorganisation.

Israels Premier spricht von „unabsichtlichem Treffer“
World Central Kitchen hatte am Vortag den Tod von sieben Mitarbeitern im Gazastreifen bestätigt. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sprach in einer Videobotschaft von einem „tragischen Fall eines unabsichtlichen Treffers unserer Streitkräfte gegen Unschuldige im Gazastreifen“. Man prüfe den Vorfall und werde alles tun, damit sich Derartiges nicht wiederhole.

Ein Mann zeigt die blutverschmierten Pässe der getöteten Helfer her – sie stammten aus Großbritannien, Polen und Australien. (Bild: Associated Press)
Ein Mann zeigt die blutverschmierten Pässe der getöteten Helfer her – sie stammten aus Großbritannien, Polen und Australien.

Der Tod der ausländischen Helfer im Gazastreifen bei dem israelischen Luftangriff stellt Medienberichten zufolge die weitere Versorgung der Palästinenser in dem Kriegsgebiet infrage. „Jeder fühlt sich jetzt bedroht“, zitierte die „New York Times“ am Dienstag (Ortszeit) Michael Capponi, Gründer der Hilfsorganisation Global Empowerment Mission. Es müsse der internationalen Gemeinschaft von Nichtregierungsorganisationen „garantiert werden, dass wir bei unserer Arbeit, die so wichtig ist, sicher sind“, forderte Capponi.

„Wahr gewordener Albtraum“ für Helfer
Israel riskiere, am Ende ohne Partner für die Bereitstellung und Lieferung humanitärer Hilfe in den Gazastreifen dazustehen, zitierte die „Times of Israel“ einen Beamten der US-Regierung. Tess Ingram, Sprecherin des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF), sagte der Zeitung „New York Times“, sie hoffe, dass der Tod der Mitarbeiter von WCK im Gazastreifen „die Welt dazu bringen wird, zu erkennen, dass das, was hier passiert, nicht in Ordnung ist“. „Die Nachricht von dem Angriff ist entsetzlich – ein wahr gewordener Albtraum für uns“, sagte Soraya Ali, Sprecherin der Organisation Save the Children, der US-Zeitung.

Ein zerstörtes Fahrzeug von World Central Kitchen (Bild: Associated Press)
Ein zerstörtes Fahrzeug von World Central Kitchen

Auch die US-Regierung hatte empört auf den Tod der Helfer von World Central Kitchen reagiert und von Israel eindringlich Aufklärung gefordert. „Mehr als 200 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden in diesem Konflikt getötet, der damit zu einem der schlimmsten Konflikte für Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in der jüngeren Geschichte zählt“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Dienstag.

Biden: „Das ist kein Einzelfall“
US-Präsident Biden machte dem Verbündeten Israel anschließend schwere Vorhaltungen. „Das ist kein Einzelfall“, beklagte Biden am Dienstagabend (Ortszeit) in einer schriftlichen Stellungnahme. „Dieser Konflikt ist einer der schlimmsten in jüngerer Zeit, was die Zahl der getöteten Mitarbeiter von Hilfsorganisationen angeht.“ Der Demokrat kritisierte wörtlich: „Israel hat nicht genug getan, um die Helfer zu schützen, die versuchen, die Zivilbevölkerung mit dringend benötigter Hilfe zu versorgen.“ Dies sei einer der Hauptgründe, warum die Verteilung der humanitären Hilfe im Gazastreifen so schwierig sei. „Israel hat auch nicht genug getan, um die Zivilbevölkerung zu schützen“, beklagte Biden weiter. Die Vereinigten Staaten hätten Israel wiederholt aufgefordert, Militäroperationen gegen die militante Palästinenserorganisation Hamas von humanitären Einsätzen zu entkoppeln, um zivile Opfer zu vermeiden.

(Bild: AFP)
(Bild: AFP)

Junge Frau aus Australien unter Opfern
Der australische Premierminister Anthony Albanese brachte dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu in einem Telefongespräch persönlich „Australiens Wut und Besorgnis“ über den Tod der sieben Helfer zum Ausdruck. Dies sagte Albanese auf einer Pressekonferenz. Unter den getöteten zivilen Helfern war eine australische junge Frau. Die australische Außenministerin Penny Wong hatte den Luftangriff zuvor bereits in einem Gespräch mit ihrem israelischen Amtskollegen Israel Katz als „empörend und inakzeptabel“ verurteilt. Israel werde weiter an Unterstützung verlieren, wenn es seinen Kurs nicht ändere. Israel müsse erklären, wie und warum die Fahrzeuge der Hilfsorganisation angegriffen worden seien. Medienberichten zufolge sei das israelische Militär über die Fahrt der deutlich gekennzeichneten Fahrzeuge der Hilfsorganisation informiert gewesen.

Hilfsorganisationen teilen freiwillig Koordinaten mit
In komplexen Konfliktgebieten wie dem Gazastreifen teilten die Vereinten Nationen und andere Hilfsorganisationen den Kriegsparteien freiwillig die Koordinaten ihrer Büros, Lagerhäuser und anderer Einrichtungen mit, um zu vermeiden, dass sie versehentlich getroffen werden, schrieb das „Wall Street Journal“. Einsätze im nördlichen Gazastreifen, der als besonders risikoreich gilt, müssten von der für die Koordinierung von Hilfe zuständigen israelischen Militärbehörde COGAT genehmigt werden. Die meisten Anträge würden abgelehnt. Dennoch seien bereits mehrfach Hilfskonvois in Gaza angegriffen worden, hieß es. Es sei nicht klar, warum der sogenannte „Deconfliction“-Mechanismus wiederholt versagt habe, um die Sicherheit der Helfer zu gewährleisten, schrieb die US-Zeitung weiter.

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