Kopfschuss in NÖ

Lebenslang: „Hat vier Kindern die Mutter geraubt“

Gericht
05.04.2024 14:08

Sie kamen gerade von einem Familienausflug zurück, als der Angeklagte (35) seine Ex-Lebensgefährtin abfing. Ihr völlig unvermittelt aus nächster Nähe – bloß wenige Zentimeter – in den Kopf schoss. Die gemeinsame, erst neunjährige Tochter musste die Bluttat an ihrer Mutter mitansehen. Lebenslange Haft befinden die Geschworenen als einzig angemessene Strafe. Nicht rechtskräftig.

Schon Monate davor war die Beziehung von Gewalt geprägt gewesen, selbst ein Annäherungsverbot konnte daran nichts ändern. Am 21. Oktober des Vorjahres nahm das Ganze schließlich ein blutiges Ende: Der 35-Jährige schoss seiner ehemaligen Lebensgefährtin aus nächster Nähe in den Kopf – jede Hilfe kam zu spät. „Deswegen gibt es für mich nur eine einzige Strafe, die volle Härte des Gesetzes“, fordert Opfervertreter Peter Philipp. Und das sehen auch die Geschworenen so.

Der Angeklagte (35) bei seinem Mordprozess im Landesgericht Korneuburg (Bild: Gerhard Bartel, Krone KREATIV)
Der Angeklagte (35) bei seinem Mordprozess im Landesgericht Korneuburg

„Unser Leben war wirklich ein Traum“
Schon im April 2022 sprach die 33-Jährige das erste Mal von einer Trennung von ihrem Lebensgefährten. Man fand aber wieder zusammen. „Wir konnten das nicht aushalten, unsere Trennung. Unser Leben war wirklich ein Traum. Wir haben alles gehabt, vor allem Liebe“, erzählt der gebürtige Bosnier im Landesgericht Korneuburg. Auch seine Verteidigerin Astrid Wagner spricht von einer durchaus positiven Beziehung: „Am Anfang war es wunderschön und harmonisch. Sie haben immerhin vier Kinder. Das ist ein Zeichen von großer Liebe.“

Verteidigerin Astrid Wagner (Bild: Gerhard Bartel)
Verteidigerin Astrid Wagner

Wegen eines Streits mit den Schwiegereltern sei das aber gekippt, zwei Monate vor der Bluttat kam es zum ersten gewaltsamen Übergriff auf die vierfache Mutter. Mit Fäusten soll der 35-Jährige auf seine Lebensgefährtin eingeprügelt haben. Auch das ist gegenständlich im Prozess – er leugnet. 

Genau wie den Tötungsvorsatz vor der Polizei. Im Ermittlungsverfahren beteuerte er stetig, er habe seine Ex-Lebensgefährtin lediglich verletzten wollen – als er aus maximal 50 Zentimetern Entfernung auf ihren Kopf geschossen hatte ... Die Staatsanwältin spricht aber die traurige Wahrheit aus: „Er hat vier Kindern die Mutter geraubt!“

Einen Tag vor Bluttat Waffe am Praterstern gekauft
Vor dem Schwurgericht kündigt Anwältin Wagner aber an: Ihr Mandant werde sich des Mordes schuldig bekennen. „Er ist aber kein aggressiver Mensch. Er ist kein kaltblütiger Mörder. Ihm ist der Boden unter den Füßen weggezogen worden durch die Trennung.“ Familie sei für den 35-Jährigen das Wichtigste auf der Welt. „Er war ganz überzeugt, es ist vorbei und seine Familie ist weg. Er darf seine Kinder nie wieder sehen.“

Der Tatort im niederösterreichischen Strasshof (Bild: Klemens Groh)
Der Tatort im niederösterreichischen Strasshof

Deswegen besorgte er sich am 20. Oktober eine Waffe: „Aus Angst und Einsamkeit. Ich hab das für mich gekauft, für meine Sicherheit.“ – „Unfug!“, wirft ihm der beisitzende Richter vor. Die Pistole kaufte er sich um 700 Euro am Wiener Praterstern. 

Geständige Verantwortung bleibt aus
Vom angekündigten Geständnis bleibt aber nicht viel übrig. Der Angeklagte spricht von viel Liebe, großer Zuneigung – gegenüber den gemeinsamen Kindern und auch seiner Ex-Lebensgefährtin. Als die vorsitzende Richterin zum Tattag kommt, sagt er lediglich leise: „Reden wir da nicht drüber. Es ist so, wie es geschrieben ist. Ich kann das wirklich nicht aussprechen.“ 

Dann dreht sich seine Verantwortung wieder: „Ich wollte ihr wirklich nur in den Rücken schießen.“ – Die Richterin: „Aber Sie wollten sie töten?“ – „Nein, ich wollte sie nur verletzen.“ Sogar seine Verteidigerin versucht ihn in scharfem Ton zurechtzuweisen, die versprochene Schuldeinsicht zu erhalten. „Also ist er nicht geständig“, hält Opfervertreter Philipp schließlich fest.

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Haben Sie mitbekommen, dass Ihre neunjährige Tochter anwesend ist? Haben Sie sich überlegt, was das mit dem Kind macht, wenn es anwesend ist, wenn der Papa die Mama erschießt?

Die vorsitzende Richterin im Landesgericht Korneuburg

Der Anwalt vertritt die Familie der getöteten 33-Jährigen. Ein grausames Detail: „Haben Sie mitbekommen, dass Ihre neunjährige Tochter anwesend ist? War Ihnen bewusst, dass Ihre Nichte und Ihr Neffe noch im Auto waren? Oder, dass Ihre Schwiegermutter in nächster Nähe war? Haben Sie sich überlegt, was das mit dem Kind macht, wenn es anwesend ist, wenn der Papa die Mama erschießt?“, fragt die Richterin den 35-Jährigen – eher rhetorisch. 

Opfervertreter Peter Philipp – er fordert für die vier Kinder jeweils 5000 Euro – und die Staatsanwältin im Gerichtsaal (Bild: Gerhard Bartel)
Opfervertreter Peter Philipp – er fordert für die vier Kinder jeweils 5000 Euro – und die Staatsanwältin im Gerichtsaal

Nacheinander versuchen auch der beisitzende Richter – aus ihm bricht heraus: „Hören Sie auf, die Tat so zu schildern, als wäre es ein bedauerlicher Unfall gewesen!“ –, die Staatsanwältin und die Verteidigerin, ein Geständnis aus dem gebürtigen Bosnier zu locken. Nach einem Verhör durch Opfervertreter und Verteidigerin flüstert der Mann schließlich: „Ja, ich bin schuldig.“

Angeklagter brauchte beim Prozess eine Stichschutz-Weste
Über die lebenslange Haftstrafe freuen sich vor allem die anwesenden Verwandten des Opfers. Zwischen ihnen und dem nun nicht rechtskräftig verurteilten Mörder sei es im Rahmen der kontradiktorischen Vernehmung der neunjährigen Tochter zu einer Auseinandersetzung gekommen. Weswegen das Landesgericht Korneuburg mit Justizwachebeamten, der WEGA und weiteren Polizisten gesäumt ist – die Sicherheitsvorkehrungen waren stark erhöht. Der 35-Jährige trug auch bei seinem Prozess sogar eine Stichschutz-Weste.

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