Vor 20 Jahren wurde ein Kaufhaus in Graz-Eggenberg zum ersten Vinzimarkt. Ein Anlaufpunkt für alle, die knapp bei Kasse sind. Doch während in Krisenzeiten immer mehr Leute auf das Angebot zurückgreifen müssen, wird das Ringen um Lebensmittelspenden immer härter. Ein Besuch im Geschäft.
„Vor zwei Jahren habe ich begonnen, hier einzukaufen“, erzählt Heinz Reicher. Er schiebt einen Einkaufswagen vor sich her – darin einige Grundlebensmittel wie Milch und Eier. Was er heute kaufen möchte? „Mal schauen, es gibt jeden Tag was anderes hier. Außerdem wollen immer mehr Leute was vom Kuchen abbekommen, auch wenn er gleich groß bleibt.“
Der symbolische Kuchen, von dem Reicher redet, ist das Angebot im Vinzimarkt in der Grazer Karl-Morre-Straße 9. Weil hier ausschließlich Ausschussware verkauft wird, ist die Sozialeinrichtung auf Spenden von Supermärkten, Bäckereien und Großspendern angewiesen. Allerdings: „Seit den vielen Krisen berechnen Supermärkte ihre Warenbestände knapper und haben am Ende des Tages weniger übrig. Vor allem Obst und Gemüse fehlt uns in letzter Zeit“, sagt Sigrid Wimmer, Leiterin der beiden Grazer Vinzimärkte.
Unter diesen verschärften Bedingungen feiert das Lebensmittelgeschäft der besonderen Art dieser Tage sein 20-jähriges Bestehen. 2004 gegründet, übernahm 2017 Wimmer die Leitung, nachdem sie zuvor über zehn Jahre ehrenamtlich mitgeholfen hatte. Seither ist die Pflegemutter und Familienpädagogin im Dauereinsatz: „Ich bin für alle 24/7 da. Mir ist nur wichtig, dass es den Kunden gut geht und dass wir genug Waren haben.“ Letzteres gestaltet sich jedoch immer schwieriger. Wirtschaftliche Herausforderungen bringen Händler dazu, besser zu kalkulieren, immer mehr Lebensmittel werden gerettet statt weggeschmissen. Über jede zusätzliche Spende sei man momentan dankbar.
Meterlange Schlangen schon vor dem Aufsperren
Zum kleiner werdenden Angebot kommt außerdem eine immer größere Nachfrage. „Wenn wir am Donnerstag um 13 Uhr öffnen, stehen schon 40 bis 50 Personen Schlange, auch um 11 Uhr sind es schon 20“, sagt Wimmer. „Oft sperren wir dann schon früher auf, vor allem, wenn es kalt oder regnerisch ist, kann ich da nicht wegschauen.“
An einem regulären Wochentag, an dem der Vinzimarkt zwischen 8 und 8.30 Uhr aufsperrt, beginnt Wimmers Arbeit um 6 Uhr. Nach den ersten Erledigungen wird um 7 Uhr gemeinsam gefrühstückt, bevor um 7.30 die ersten Waren kommen. „Heute wurde uns schon Blut- und Breinwurst von der Firma Messner gebracht“, erzählt Wimmer. Gemeinsam mit ihrem Team sitzt sie in der Teeküche und zeigt sich sichtlich erfreut über diesen Schnapper. „Und Brot haben wir von Martin Auer und der Bäckerei Wurm bekommen.“
Mit ihr am Tisch sitzt Heinz Kirchsteiger. Er ist ein Gründungsmitglied der Vinzigemeinschaft Eggenberg und war von Anfang an dabei. Genau genommen ist er sogar der Sohn jener Familie, die vor 20 Jahren ihr Kaufhaus zum ersten Vinzimarkt umwandelte. „Unser Geschäft nannte man den Kastner und Öhler von Eggenberg, es war zu diesem Zeitpunkt seit 45 Jahren in Familienbesitz“, erzählt Kirchsteiger. Zwei Gassen entfernt vom heutigen Geschäftslokal wurden sie zum Vorbild der insgesamt zehn Vinzimärkte, die es mittlerweile in Österreich gibt. Auch der erste Vinzishop wurde noch im selben Jahr gegründet.
Basierend auf der Philisophie des Pfarrers Wolfgang Pucher, verstehen sich die Vinzimärkte als Sozialeinrichtungen – nicht als Supermärkte. „Ich mache von der Beschaffung bis zu Kundengesprächen alles“, sagt Wimmer, „eigentlich ist Büroarbeit überhaupt nicht meines.“ Ziel sei es, möglichst unbürokratisch den Ärmeren unserer Gesellschaft zu helfen – alle Personen mit einem Monatseinkommen unter 1250 Euro können hier günstig einkaufen. Dazu zählen Alleinerziehende, Pensionisten, Menschen aus der Ukraine, aber auch Jungfamilien, die vor Kurzem noch zur Mittelschicht gehörten. „Bei uns geht niemand hungrig aus dem Geschäft“, betont Wimmer.
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