„Krone“-Reporter Robert Fröwein flaniert durch die Stadt und spricht mit den Menschen in Wien über ihre Erlebnisse, ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Ängste. Alltägliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.
Glauben Sie nicht, in unseren Redaktionsstuben würde immer alles in trauter Eintracht vonstattengehen. In einer gelebten Demokratie wird gerne die verbale Klinge geschwungen und manchmal zieht man auch nicht ohne leichte Verletzungen von dannen. Zu einem regelrechten Schlachtfeld der Worte kann etwa der Mittagstisch in der hauseigenen Kantine mutieren. Besonders mittwochs wird scharf geschossen, denn da landet bei den kulinarischen Connaisseuren meist ein Schweins-Wiener auf dem Tisch. Liebevoll zubereitet von den Küchenchefs Peter und Andi und genauso gerne herzhaft verschlungen von den hungrigen Konsumenten. Doch Schweins-Wiener ist nicht gleich Schweins-Wiener und über das „wie“ des Verzehrs ließen sich mittlerweile ganze Enzyklopädien schreiben.
Braucht man einen Erdäpfelsalat mit roten Zwiebeln oder einen Mayonnaise-Erdäpfelsalat dazu? Ist es überhaupt okay, dass man dazu ein Ketchup kredenzt oder gilt das als absolutes No-Go? Müssen es wirklich immer Pommes Frites sein, oder tut es nicht auch einmal eine Portion Reis? Besonders starke Nerven zeigen muss ich, wenn der Mühlviertler Kollege aus der Digital-Abteilung zum Tisch schreitet. Er genießt sein Schnitzel üblicherweise mit Ketchup und Preiselbeermarmelade. Nicht aber streng voneinander getrennt, sondern willkürlich zusammengemanscht. Mein angewiderter Blick ist stechend, die Replik des Kollegen stets dieselbe: „Was ist dein Problem? Im Magen kommt eh alles zusammen?“ Ein unwürdiges Totschlagargument, nach dessen Logik man frühmorgens ein Porridge mit einem Speckbrot kreuzen könnte. Sei’s drum.
Die Diskussion um das wahre, korrekt zu verzehrende Schnitzel wird in Wien mindestens so heiß geführt wie Integrationsdebatten oder die ballesterische Vorherrschaft zwischen Hütteldorf und Favoriten. Dass es Integrationsministerin Susanne Raab bei der jüngst aufgepoppten Leitkulturdebatte dezidiert „nicht um das Schnitzel“ ginge, tut hier nichts zu Sache. Beim panierten Schweinernen ist der Wille des Volkes fraglos stärker als jener seiner gewählten Vertreter. Wobei das originale Wiener Schnitzel natürlich vom Kalb ist und das Grundrezept angeblich einst von Feldmarschall Radetzky aus Italien zu uns importiert wurde. Dazu wird gerne diskutiert, ob man es in Öl, Butterschmalz oder Schweineschmalz bäckt und in der Pfanne oder der Fritteuse zubereitet. Sie sehen – das Wiener Schnitzel ist in vielerlei Hinsicht eine Wissenschaft für sich.
Auf die Frage, wie man es nun originalgetreu essen sollte, gibt es wahrscheinlich dutzende verschiedene Antworten. Schon in meinem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis scheiden sich die Geister. Die Meinungen changieren von „bitte die große Flasche Ketchup dazu“ bis hin zu „wenn du Erbsenreis dazu isst, wirst du enterbt.“ Richtig spannend wird es, wenn dann noch vereinzelte Bundeslandvorlieben mit ins Spiel kommen. Gerüchte besagen, dass der eine oder andere Steirer gerne einmal wild mit dem Kernöl über die knusprige Panade spritzt – Schnappatmung bei Wienern garantiert! Im Jahr 2024 ist zudem auch die vegane Variante endgültig en vogue: Wenn ein modernes Lokal im heimischen Milieu wirklich etwas auf sich hält, dann bietet es eine Seitan-Schnitzel-Variante an. Auch das panierte Milchschnitzel kann mit reinem Gewissen zum Tierwohl genossen werden. Wie immer Sie Ihr Schnitzel gerne haben - bitte tunken Sie es nur nicht in eine Sauce. Und die Preiselbeer-Ketchup-Verquerung muss auch nicht sein …
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