Wer ist der ehemalige Geheimdienstmann Egisto Ott? Wie ein mutmaßlicher Doppelagent die Republik Österreich erschütterte und was das mit Wirecard und der Politik zu tun hat. Die „Krone“ auf Spurensuche.
Egisto Ott. Ein Geheimdienstler auf Abwegen. Wer ist dieser Mann? Wie konnte er den Nachrichtendienst destabilisieren, die Republik erschüttern, wer war beteiligt, welche Rolle spielte die Politik? Es sind viele Fragen offen.
Festnahme am Karfreitag
Am Karfreitag endet eine abenteuerliche Reise des Egisto Ott in seiner Heimat Kärnten. Er wird festgenommen. Wegen mutmaßlicher Spionage für Russland. Der 2021 suspendierte Beamte soll russische Geheimdienste systematisch mit Infos aus dem Verfassungsschutz sowie Personendaten aus Polizeidatenbanken versorgt haben. Am Ostersonntag geht es in U-Haft. Nicht das erste Mal. Ott wird Schwerwiegendes vorgeworfen. Und er ist zum Politikum geworden.
Ott war fasziniert von Jörg Haider
Ott beginnt seine Karriere Anfang der 1990er-Jahre als Polizist, er stammt aus dem SPÖ-Lager, war jedoch fasziniert von FPÖ-Star Jörg Haider. Die Connections zu den Blauen hielten. Und er war ein unbequemer Mitarbeiter, der oft aneckte. 2015 der Beginn einer verhängnisvollen Beziehung. Zu BVT-Abteilungsleiter Martin Weiss. Beide, so der Verdacht, hätten eine Zelle gebildet, um Infos für die Russen bereitzustellen. Brisant: Ott soll einen Minigeheimdienst im Außenministerium von Karin Kneissl (FPÖ) geplant haben. Kneissl wurde international bekannt durch ihr Tänzchen mit Putin. Den sie auch heute verteidigt.
Kontakte zu Marsalek
Egisto Ott soll auch für ein Konvolut gegen Verfassungsschützer verantwortlich sein, das 2018 zum Sturm auf die Behörde durch die WKStA führte. Ein Skandal und Tiefpunkt der Geheimdienstgeschichte und internationaler Aufreger. Österreichs Ruf als Partner schwer angeschlagen. Da waren Ott und Weiss nicht mehr beim BVT. Weiss heuerte bei Wirecard an. Beim Skandalkonzern – dem flüchtigen Vorstand, dem Wiener Jan Marsalek, verhalf Weiss zur Flucht Richtung Russland. Weiss gestand, für Marsalek Abfragen bei Ott bestellt zu haben.
Kanzler sorgt sich um nationale Sicherheit
Doch auch Politiker zählten zu des Geheimdienstlers Kontakten bzw. Netzwerk. Da wäre Hans Jörg Jenewein, Herbert Kickls ehemaliger Mann fürs Grobe. Er ist mittlerweile aus der Partei ausgetreten. Doch soll er intensiv mit Ott gechattet haben. Auch während eines U-Ausschusses. Nun will ihn die ÖVP in den aktuellen Ausschuss vorladen, um die Zusammenhänge zu klären. Bundeskanzler Karl Nehammer zeigt sich höchst besorgt: „Ich bin froh, dass die Justiz ihre Aufgabe jetzt wahrnimmt, denn es geht hier um nichts weniger als die Nationale Sicherheit der Republik. Es geht darum, die Gefahr abzuwehren, dass ausländische Dienste sich Einfluss verschaffen, bis hin ins politische Geschehen.“
Auch Helmut Brandstätter von den NEOS geriet in den Fokus des ehemaligen Geheimdienstlers. Ott kam auf ihn zu, sagt er. Das war während des Ibiza-Ausschusses. Er habe Infos liefern wollen. Es kam zum Treffen, aber es gab keine relevanten Informationen, so der Politiker.
Legendärer Bootsausflug
Und dann gab es noch den legendären feuchtfröhlichen Bootsausflug von Innenministeriums-Leuten 2017. Ausgangspunkt der Offenbarung der Kalamitäten. Das Boot kenterte, Handys von wichtigen Beamten fielen ins Wasser. Ein BVT-IT-Experte saugte die Daten ab, die bei Ott landeten. Der soll sie russischen Agenten in einer Wiener Wohnung übergeben haben – die „Krone“ berichtete. Die Infos gelangten über Umwege auch zu Ex-Politiker und Aufdecker Peter Pilz. Er, so ein Vorwurf, sei Teil eines Netzwerks gewesen und habe Ott gut gekannt. Pilz aber sagt: „Ich habe die Daten via USB-Stick bekommen. Aber nichts mit Ott zu tun. Wenn mich die ÖVP oder andere in ein Russennetzwerk hineinziehen wollen, dann ist das Rufmord. Die ÖVP war immer für Putin, ich immer gegen ihn.“
Apropos: Jan Marsalek, der als wichtiger Spion für die Russen bzw. deren Geheimdienst FSB gilt, soll unter dem Schutz des Kreml stehen. Und zwar hält er sich laut seriösen Quellen derzeit hauptsächlich in Dubai auf. Ebenso wie Ex-Geheimdienstler Weiss, der für Marsalek arbeitete. Die Emirate haben kein Auslieferungsabkommen mit Österreich. Auch nicht mit Deutschland, wo Marsalek „most wanted“ ist und wo derzeit der Wirecardprozess wegen Milliardenbetrugs läuft.
Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
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